- Der islamistische Attentäter von Wien ist seinem Betreuer im Deradikalisierungsprogramm vor der Tat wegen seiner extremen Gläubigkeit aufgefallen.
- Hinweise auf eine bevorstehende Bluttat habe es dabei allerdings nicht gegeben.
Das sagte Derad-Mitbegründer Moussa Al-Hassan Diaw der Deutschen Presse-Agentur in Wien. Ein Bericht über die Einschätzung sei wie üblich an die Justizbehörden übermittelt worden. Als deradikalisiert habe er, anders als vom Innenministerium betont, nie gegolten.
Drei Tage nach dem Terroranschlag in einem Ausgehviertel der österreichischen Hauptstadt stehen zunehmend mögliche Pannen der Sicherheitsbehörden im Fokus. Ein 20-jähriger vorbestrafter IS-Sympathisant tötete am Montagabend vier Menschen und verletzte mehr als 20, bevor er selbst durch Polizeischüsse starb.
Konnte der Attentäter seine Betreuer täuschen?
Fragen drehen sich unter anderem um einen versuchten Munitionskauf des späteren Täters in der Slowakei, über den die österreichische Polizei informiert war. Ausserdem ist die vorzeitige Entlassung des Mannes, der nach einer versuchten Ausreise zur Terrormiliz IS nach Syrien eine 22-monatige Haftstrafe verbüssen sollte, zum Thema geworden. Nehammer betonte, dass es dem 20-Jährigen perfekt gelungen sei, seine Betreuer im Deradikalisierungsprogramm zu täuschen.
Es gab keine Täuschung, weil unser Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt gesagt hat, dass der Mann deradikalisiert ist.
«Es gab keine Täuschung, weil unser Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt gesagt hat, dass der Mann deradikalisiert ist», sagte dagegen Derad-Mitbegründer Moussa Al-Hassan Diaw der dpa. Das Justizministerium erklärte, dass die Entlassung auf Bewährung nach zwei Dritteln der Strafe die einzige Möglichkeit war, dem 20-Jährigen die Teilnahme an dem Deradikalisierungsprogramm für drei Jahre zur Auflage zu machen.
Attentäter hatte offenbar Zweifel an Glauben
Diaw berichtete, dass der 20-Jährige sich laut seinem Betreuer verändert und trotz Religiösität starke Zweifel an seinem eigenen rechten Glauben entwickelt habe. «Diese Selbstzweifel führen auch sehr oft zu Verzweiflung», sagte Diaw. Manche Betroffenen beteten dann noch intensiver, während andere zu Taten schritten oder aus dem Leben scheiden wollten. Der Betreuer habe das in einem seiner letzten Berichte vor der Tat festgehalten. «Diese Sachen sind ihm aufgefallen. Was keinem aufgefallen ist, ist, dass er plant, (...) eine Bluttat zu begehen.»
Die Berichte über den Täter gingen an die Justizbehörde. Für die habe der österreichische Verfassungsschutz wiederum Kontaktbeamten, sagte Diaw. Die direkte Zusammenarbeit der NGO mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) habe 2018 aufgehört. Gefahr in Verzug oder hochgefährliche Einstellungen würden aber den Behörden gemeldet.
War Attentäter im Visier des Verfassungsschutzes?
Ob die Verfassungsschützer den 20-Jährigen nach seiner Entlassung im Visier hatten, bleibt unklar. Ressortchef Karl Nehammer bestätigte Erkenntnisse, wonach der spätere Attentäter im Juli mit einem anderen Mann in die Slowakei gefahren war, um Munition zu kaufen. Das slowakischen Innenministerium informierte am 23. Juli ihre Kollegen in Wien.
Die österreichische Polizei habe am 10. September geantwortet und einen der beiden Kaufinteressenten als den wegen Terrorismus vorbestraften späteren Attentäter identifiziert. «In den weiteren Schritten ist hier offensichtlich in der Kommunikation etwas schiefgegangen», sagte Nehammer am Mittwoch. Was mit dieser Information passierte, soll eine unabhängige Untersuchungskommission klären.