Worum geht es? Die Schweiz und andere westliche Länder haben ihre Vertretungen in der Türkei vorübergehend geschlossen. Grund ist das offenbar erhöhte Anschlagsrisiko. Deutschland, Schweden, Norwegen und Dänemark sowie die USA hatten ihre Staatsbürgerinnen und -bürger bereits vergangene Woche vor einem erhöhten Anschlagsrisiko in der Türkei gewarnt. Die Türkei wiederum hatte ihre Bürger vor Angriffen in Europa und den USA gewarnt und Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Land verschärft. Hintergrund sind mehrere islamfeindliche Aktionen in Europa.
Was ist über den offenbar drohenden Anschlag bekannt? Wenig. Die westlichen Regierungen warnen ihre Bürgerinnen und Bürger vor einer konkreten Anschlagsdrohung. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sprach von «greifbaren Informationen über einen drohenden Terroranschlag». Deutschland warnt vor einer erhöhten Gefährdung in der Gegend in der Innenstadt von Istanbul um den Taksim-Platz und einem Stadtteil namens Levent. In der niederländischen Mitteilung heisst es, diese Terrorwarnung richte sich ausdrücklich gegen westliche Einrichtungen. In allen Warnungen wird die Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft in Stockholm erwähnt.
Von wem stammen die Informationen? Der Absender der Warnung ist nicht offiziell bekannt. In den Mitteilungen wird lediglich von Geheimdienstinformationen und Informationen der Sicherheitsdienste gesprochen. «Unklar bleibt, ob diese Informationen von türkischer Seite an die westeuropäischen Regierungen weitergegeben wurden. Oder ob ein ausländischer Dienst durch sein Agentennetz Informationen erhalten hat», sagt Journalist Thomas Seibert. Er lebt in Istanbul.
Welche Täterschaft scheint plausibel? Infrage kommen laut Seibert islamistische Gruppen aus einem aussertürkischen Land, zum Beispiel aus Syrien. «Unter den 3.6 Millionen Flüchtlingen der letzten Jahre in der Türkei waren auch Extremisten. Hin und wieder gibt es Aktionen der türkischen Polizei, um Zellen zu zerschlagen.» Eine andere Möglichkeit sei eine radikalisierte Gruppe in der Türkei selbst. Der Journalist nennt als Beispiel die Terroranschläge in Istanbul im Jahr 2003, verübt von einer türkischen Zelle des Terrornetzwerks Al-Kaida.
Was könnte das Motiv sein? Laut den westlichen Regierungen rührt die Anschlagsgefahr von der Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft in Stockholm her. «Mit dieser Aktion sollte die Türkei in der Diskussion um den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden provoziert werden», sagt der freie Journalist in Istanbul. In den Niederlanden wurde ein Koran zerrissen. «Die Aktionen gegen die Heilige Schrift des Islams sind eher der Aufhänger als eine politische Diskussion», schätzt Seibert.
Was berichten türkische Medien? In türkischen Medien ist nicht viel davon zu lesen. Die Türkei wolle wohl keine grosse Aufregung verursachen, sagt Thomas Seibert. «Jede Terrorbedrohung würde bedeuten, dass der Staat möglicherweise nicht in der Lage ist, das zu verhindern.» Und das wäre im anlaufenden Wahlkampf in der Türkei schlecht für die Regierungsseite.