Von US-Präsident Joe Biden war nichts zu hören am Tag danach. In Beirut war gerade die Nummer zwei der Schiiten-Miliz Hisbollah und in Teheran der Chef der Hamas getötet worden. Doch Bidens Pressesprecherin Karine Jean-Pierre begann die tägliche Pressekonferenz im Weissen Haus mit den Themen Studentenschulden und Drogenkrise. Dann stellte sie den ersten von zwei Gästen der Pressekonferenz vor: den Landwirtschaftsminister.
Die Krise im Nahen Osten hatte für den Präsidenten der USA an diesem Tag keine Priorität.
USA scheinen hilflos
Es war Bidens Aussenminister Antony Blinken überlassen, dürre Meldungen über seine Telefonanrufe beim Premier und Aussenminister Katars sowie beim Premierminister Jordaniens zu verschicken.
In einem Interview mit dem in Singapur beheimateten TV-Sender «Channel News Asia» betonte der sich gerade auf Asienreise befindliche Blinken zudem, die beiden Tötungen seien «etwas, von dem wir weder Kenntnis hatten, noch beteiligt waren». Was für einen Einfluss die Geschehnisse auf den weiteren Verlauf der Verhandlungen, ja des Konflikts hätten, könne er nicht sagen. Hilfloser konnten Blinkens Worte kaum tönen.
Netanjahus Eskalationslogik
Dabei ist es keine Woche her, dass Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bei Biden zu Gast gewesen und von diesem erneut die Erinnerung mit auf den Heimweg gegeben erhalten hatte, «dass ein Deal über die noch in Gaza befindlichen Geiseln so schnell wie möglich geschlossen und ein dauerhaftes Ende des Krieges gefunden» werden müsse.
Doch es war mit diesen Worten offensichtlich so, wie mit allen Worten, die Biden seit dem barbarischen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 an Netanjahu gerichtet hatte: Sie konnten Netanjahus Eskalationslogik nicht durchbrechen.
Diese Logik ist tief in der militärischen Doktrin beider Seiten in diesem Konflikt verwurzelt: Jeder Angriff muss vergolten werden. Auch wenn dies wiederum zu Vergeltung führt, und die Vergeltung der Vergeltung zu erneuter Vergeltung.
Bidens gescheiterte Strategie
US-Präsident Joe Biden wollte diese Logik durchbrechen. Zumindest teilweise. Er setzte auf eine doppelseitige Strategie, um Israels Premier Netanjahu in die von den USA gewünschte Richtung zu lenken. Gegen aussen verteidigte Biden Netanjahu durch alle Böden. Er reiste schon kurz nach dem Terrorangriff nach Tel Aviv, um seinen «Freund Bibi» zu umarmen.
Hinter den Kulissen jedoch versuchte Biden, anders zu Netanjahu zu sprechen. Er mahnte und warnte. Forderte ernsthafte Bemühungen für die Wiederbelebung einer Zweistaatenlösung. Und stiess damit auf taube Ohren. Das zeigte nicht zuletzt auch Netanjahus uneinsichtige Rede vor dem US-Kongress vor einer Woche.
Das Weisse Haus hat keine Antworten
Nach dem Landwirtschaftsminister sprach an der Pressekonferenz im Weissen Haus dann übrigens doch noch jemand zu den Ereignissen im Nahen Osten. John Kirby, der sicherheitspolitische Sprecher des Präsidenten.
Kirby begann seine Ausführungen mit einem Versprechen, das er im Folgenden vollkommen einlöste: Zu den Details könne er kaum etwas sagen. Washington scheint im Nahostkonflikt keine wirklichen Antworten mehr zu finden.