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Wie die Olma, aber mit Games – und in Tokyo statt St. Gallen
Aus Audio Aktuell SRF 3 vom 17.10.2024. Bild: Tanja Eder
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Tokyo Game Show Früher war Japan die Videospiel-Nation schlechthin. Und heute?

Früher waren Videospiele fast Synonym mit Japan, heute kommen die meisten unserer Games aus den USA – was ist passiert? An der Game-Messe in Tokyo zeigen sich Segen und Fluch eines starken Heimmarkts.

Japanische Spielmaschinen wie «Space Invadors» und «Pacman» prägten die Welt der Videospiele zu Beginn des neuen Mediums. In den 80er- und 90er-Jahren eroberten japanische Konsolen von Nintendo, Sega und Sony unsere Wohnzimmer.

Heute dominieren amerikanische Games unsere Bildschirme mit hyperrealistischen Shootern und aufwendig produzierten Blockbustern. Hat Japan den Wettstreit gegen die USA verloren?

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Tokyo Game Show: Ist Japan noch der Game-Sensei?
43:52 min
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Tokyo Game Show: am Puls der japanischen Spielebranche

Mehr darüber erfährt man an der Tokyo Game Show, dem grössten Branchenanlass Japans. Im September sind fast 275'000 Gamerinnen und Gamer an die Messe geströmt, um sich zu informieren und neue Games auszuprobieren – ein Rekord.

Fast 1000 Aussteller präsentierten ihre Spiele und vernetzten sich mit Publishern und Investoren. Mit aufwendigen Dekorationen, riesigen Bildschirmen und verkleideten Angestellten buhlten die Stände um Aufmerksamkeit.

Luftaufnahme einer belebten Messehalle mit verschiedenen Ständen und Besuchern.
Legende: Bunt, laut, aber sehr höflich: Die Tokyo Game Show ist eine der weltweit grössten Videospielmessen. Tokyo Game Show

Zwar waren auch westliche Gamefirmen anwesend, doch der Fokus lag klar auf japanischen Riesen wie Sega, Konami und Bandai Namco. Auch das Publikum stammt mehrheitlich aus Japan oder dem südostasiatischen Raum.

Trotz Japan-Begeisterung im Westen präsentiert sich die Tokyo Game Show also erstaunlich wenig international im Vergleich zu anderen Messen wie der Gamescom in Köln. Was steckt dahinter?

Galapagos: Segen und Fluch des starken Heimmarkts

Videospiele sind in Japan weit verbreitet. Der japanische Gamemarkt ist der drittgrösste der Welt, hinter den USA und China, trotz der deutlich kleineren Bevölkerungszahl. Das erlaubt es den Gamestudios, Spiele zu produzieren, die exklusiv auf den Heimmarkt zugeschnitten sind.

Eine kurze Geschichte der japanischen Videospiele

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Als die Videospiele Ende der 1970er-Jahre erfunden wurden, waren die Voraussetzungen in Japan ideal: Aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs war ein Wirtschaftswunder entstanden, das den Japanern nie dagewesenen Wohlstand und Freizeit brachte. Man sprach vom «Leisure-Boom»: Die Japaner hatten Zeit und Geld für Freizeitangebote.

Auf dieses Umfeld trafen die japanischen Arcade-Games «Space Invadors» 1978 und «Pacman» 1980. Die Menschen standen Schlange vor den Einkaufszentren, um die Games spielen zu können, und auch international waren die japanischen Spielmaschinen ein Hit.

In den 80er-Jahren eroberten japanische Videospiele dank Nintendo das Wohnzimmer, zuerst 1983 die Japanischen mit dem «Famicom», 1985 dann die der ganzen Welt mit der «NES». In den 90ern bekam Nintendo Konkurrenz – von Sega und Sony, beides ebenfalls japanische Firmen. Der «Konsolenkrieg» trieb die japanische Gameindustrie zu immer neuen Innovationen, und japanische Videospiele flogen im Windschatten der Konsolen ebenfalls auf einer Erfolgswelle.

Der Wendepunkt folgte in den 00er-Jahren. Anfang der 90er-Jahre war die japanische Blase geplatzt, seither leidet die Wirtschaft unter Deflation. Und jetzt kam eine entscheidende Innovation aus Amerika: Die Xbox, auf der sich wie auf einem Computer Games programmieren liessen. Mit der amerikanischen Konsole kamen auch amerikanische Games, nämlich hyperrealistische Shooter wie «Call of Duty» und «Halo».

Während Amerika zwar heute auf dem Schweizer Videospielmarkt die Nase vorn hat, feiern japanische Games weiterhin regelmässig Erfolge, zum Beispiel dank «Zelda», «Super Mario», «Elden Ring» oder «Like a Dragon».

So ist in Japan ein eigenes Ökosystem entstanden. Ähnlich wie auf den von der Welt abgeschnittenen Galapagosinseln neue Tierarten entstehen konnten, entstand in Japan eine eigene Gamekultur mit einer starken Präferenz für Games im Anime-Stil, für fantasievolle statt realistische Games und für Games mit starker Story-Komponente.

Schweizer Games in Tokyo

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Legende: Tanja Eder

Dank der Gameförderung des Bundes stellten an der Tokyo Game Show auch sechs Schweizer Kleinstudios ihre Videospiele aus. Das Ziel: Feedback des asiatischen Publikums zu bekommen und einen Publisher oder Co-Publisher zu finden.

Auch zu sehen waren das bekannteste Schweizer Indie-Game, «The Wandering Village», so wie das grösste Schweizer Game, der «Farming Simulator». Ersteres wurde von seinem chinesischen Publishing-Partner präsentiert, zweiteres von Partner Sega, der eine Gemüseverteilaktion organisierte.

Viele westliche Games haben es schwer in Japan und sind kaum erfolgreich. Und umgekehrt werden viele japanische Games gar nicht erst auf Englisch übersetzt. Das ist Segen und Fluch zugleich: Es erlaubt das Entstehen einer eigenen Gamekultur in Japan und garantiert der einheimischen Gameindustrie einen stabilen Absatzmarkt. Die Abschottung erschwert aber auch einen inspirierenden Austausch mit dem Westen.

Wo bleiben die japanischen Games?

Wenn hierzulande der Eindruck entsteht, es gäbe weniger japanische Games als früher, dann hat das zwei Gründe: Erstens gibt es mehr amerikanische und europäische Games. Und zweitens erscheinen viele japanische Games gar nie auf dem Schweizer Markt.

Kampfbereite Anime-Figuren. Der Held trägt einen lila Turban, neben ihm das beliebte tropfenförmige Maskottchen.
Legende: Dragon Quest ist bei uns weitgehend unbekannt, in Japan hingegen ist es einer der beliebtesten Titel überhaupt. Bei einer kürzlichen Umfrage von TV Asahi landete es auf Platz 2, noch vor Super Mario oder Pokémon. Dragon Quest Wiki / Square Enix

Der Eindruck täuscht also, die japanische Gameindustrie ist wohlauf: Von den Massenentlassungen, mit denen die amerikanische Gameindustrie regelmässig Schlagzeilen macht, blieben japanische Gameentwickler verschont – im Gegenteil, viele Firmen verteilten sogar Lohnerhöhungen.

Dahinter steckt zum einen die japanische Firmenkultur, die langfristiger denkt und sich ihren Angestellten gegenüber verpflichtet fühlt. Zum anderen reflektiert es die wachsende Nachfrage nach Games: Weltweit, aber auch für den japanischen Heimmarkt wird in den nächsten Jahren trotz schrumpfender Bevölkerung weiteres Wachstum prognostiziert.

Radio SRF 3, 17.10.2024 10:10 Uhr

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