Japanische Spielmaschinen wie «Space Invadors» und «Pacman» prägten die Welt der Videospiele zu Beginn des neuen Mediums. In den 80er- und 90er-Jahren eroberten japanische Konsolen von Nintendo, Sega und Sony unsere Wohnzimmer.
Heute dominieren amerikanische Games unsere Bildschirme mit hyperrealistischen Shootern und aufwendig produzierten Blockbustern. Hat Japan den Wettstreit gegen die USA verloren?
Tokyo Game Show: am Puls der japanischen Spielebranche
Mehr darüber erfährt man an der Tokyo Game Show, dem grössten Branchenanlass Japans. Im September sind fast 275'000 Gamerinnen und Gamer an die Messe geströmt, um sich zu informieren und neue Games auszuprobieren – ein Rekord.
Fast 1000 Aussteller präsentierten ihre Spiele und vernetzten sich mit Publishern und Investoren. Mit aufwendigen Dekorationen, riesigen Bildschirmen und verkleideten Angestellten buhlten die Stände um Aufmerksamkeit.
Zwar waren auch westliche Gamefirmen anwesend, doch der Fokus lag klar auf japanischen Riesen wie Sega, Konami und Bandai Namco. Auch das Publikum stammt mehrheitlich aus Japan oder dem südostasiatischen Raum.
Trotz Japan-Begeisterung im Westen präsentiert sich die Tokyo Game Show also erstaunlich wenig international im Vergleich zu anderen Messen wie der Gamescom in Köln. Was steckt dahinter?
Galapagos: Segen und Fluch des starken Heimmarkts
Videospiele sind in Japan weit verbreitet. Der japanische Gamemarkt ist der drittgrösste der Welt, hinter den USA und China, trotz der deutlich kleineren Bevölkerungszahl. Das erlaubt es den Gamestudios, Spiele zu produzieren, die exklusiv auf den Heimmarkt zugeschnitten sind.
So ist in Japan ein eigenes Ökosystem entstanden. Ähnlich wie auf den von der Welt abgeschnittenen Galapagosinseln neue Tierarten entstehen konnten, entstand in Japan eine eigene Gamekultur mit einer starken Präferenz für Games im Anime-Stil, für fantasievolle statt realistische Games und für Games mit starker Story-Komponente.
Viele westliche Games haben es schwer in Japan und sind kaum erfolgreich. Und umgekehrt werden viele japanische Games gar nicht erst auf Englisch übersetzt. Das ist Segen und Fluch zugleich: Es erlaubt das Entstehen einer eigenen Gamekultur in Japan und garantiert der einheimischen Gameindustrie einen stabilen Absatzmarkt. Die Abschottung erschwert aber auch einen inspirierenden Austausch mit dem Westen.
Wo bleiben die japanischen Games?
Wenn hierzulande der Eindruck entsteht, es gäbe weniger japanische Games als früher, dann hat das zwei Gründe: Erstens gibt es mehr amerikanische und europäische Games. Und zweitens erscheinen viele japanische Games gar nie auf dem Schweizer Markt.
Der Eindruck täuscht also, die japanische Gameindustrie ist wohlauf: Von den Massenentlassungen, mit denen die amerikanische Gameindustrie regelmässig Schlagzeilen macht, blieben japanische Gameentwickler verschont – im Gegenteil, viele Firmen verteilten sogar Lohnerhöhungen.
Dahinter steckt zum einen die japanische Firmenkultur, die langfristiger denkt und sich ihren Angestellten gegenüber verpflichtet fühlt. Zum anderen reflektiert es die wachsende Nachfrage nach Games: Weltweit, aber auch für den japanischen Heimmarkt wird in den nächsten Jahren trotz schrumpfender Bevölkerung weiteres Wachstum prognostiziert.