Darum geht es: Nach der tödlichen Messerattacke in Aschaffenburg soll der Bundestag nächste Woche über Vorschläge zur Verschärfung der Migrationspolitik abstimmen. Das fordert die CDU. Im Gegensatz zu früher will sie dabei neu mögliche Mehrheiten mit der AfD in Kauf nehmen. «Wir werden nächste Woche in den Bundestag Anträge einbringen, die ausschliesslich unserer Überzeugung entsprechen», sagte CDU-Chef Friedrich Merz. «Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt.»
Die Migrationsdebatte in Deutschland: In den letzten Monaten kam es in Deutschland zu Angriffen auf offener Strasse: Im vergangenen Dezember raste ein Mann mit einem Geländewagen auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg in eine Menschenmenge und tötete sechs Menschen – Hunderte wurden verletzt. Im August 2024 stach ein Mann auf Besucherinnen und Besucher eines Stadtfestes in Solingen ein. Bei beiden Angreifern handelt es sich um Geflüchtete. Dies ist auch beim jüngsten Angriff in Aschaffenburg der Fall. In der Politik und der Bevölkerung wird nun der Ruf nach einer härteren Migrationspolitik laut.
Die Haltung zur AfD: In der deutschen Politik galt bisher: Mit der rechtspopulistischen AfD gibt es keine Zusammenarbeit. Die CDU hatte es bisher vermieden, Anträge nur mithilfe der AfD durchzubringen. Anfang Januar sagte Merz in der ARD, bei einer Zusammenarbeit mit der AfD würde die CDU ihre Seele verkaufen. Auch heute bekräftigt Merz, seine Haltung zur AfD sei und bleibe klar: «Wir arbeiten mit dieser Partei nicht zusammen.» Aber neu betonte er: «Wer unseren Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.»
Die Kritik: Der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck und die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, warnten Merz, dass er so einen «Dammbruch» riskiere. Auch der Generalsekretär der deutschen Sozialdemokraten, Matthias Miersch, warnte Merz: «Hier bahnt sich ein politischer Dammbruch an». Vor Wochen sei noch Konsens unter den demokratischen Parteien gewesen, dass keine Gesetze mit AfD-Stimmen zustande kommen dürfen. Miersch spricht von einem «fatalen Signal.» Jede Zusammenarbeit mit der AfD gefährde die Demokratie.
Hintergrund der Eskalation: Die Fraktionen nehmen an, dass die AfD kommende Woche selbst Anträge zu Aschaffenburg einbringen will. In der Union fürchtet man, dass es in der Bevölkerung schlecht ankommt, wenn die Mehrheit des Parlaments diese Anträge nicht zur Abstimmung kommen lässt oder dagegen stimmt. CDU und CSU treten für die Wahl selbst mit der Forderung nach einer radikalen Wende in der Asylpolitik an. Merz bekräftigte heute, dass man für keinen einzigen AfD-Antrag stimmen wolle. Deshalb plane die Union nun eigene Anträge. Die Menschen hätten die «Nase voll» von Erklärungen von Politikern, ohne dass sich etwas grundlegend ändere.
So könnte es weitergehen: Ob es wirklich zu einer Gesetzesänderung kommt, ist alles andere als klar. Denn über eingebrachte Anträge wird zwar im Bundestag beraten, sie landen aber meist in Ausschüssen, sodass vor der Bundestagswahl keine finale Abstimmung mehr möglich wäre. Mit einem Antrag könnte die Union auch eine sofortige zweite und dritte Lesung anstreben. Die Crux: Dafür ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig – die ohne Abweichler der SPD und Grünen nicht erreichbar ist.