Russlands Präsident Putin hat den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko medienwirksam in Sotschi empfangen und damit deutlich gemacht: Auch wenn der Druck aus dem Westen auf Minsk weiter zunehmen sollte – Moskau ist nicht bereit, Belarus aus seinem Einflussbereich zu entlassen.
SRF News: Warum stellt sich Putin so demonstrativ hinter Lukaschenko?
David Nauer: Putin denkt geopolitisch. Ihn interessiert nicht, ob Lukaschenko Menschenrechte verletzt oder internationale Abkommen bricht.
Lukaschenko ist ein Garant für einen prorussischen Kurs.
Aus Sicht des Kremls geht es darum, ob Minsk ins westliche Lager kippt oder in der russischen Einflusssphäre verbleibt. In den Augen Putins ist Lukaschenko Garant für einen prorussischen Kurs von Belarus. Deshalb unterstützt er ihn.
Putin bewirtete Lukaschenko zwei Tage lang in Sotschi, fuhr Boot mit ihm auf dem Schwarzen Meer, lud zum Käpt'ns Dinner. Warum zelebrierte er sein Treffen mit Lukaschenko derart medienwirksam?
Die demonstrative Unterstützung Lukaschenkos war wohl der Sinn der ganzen Sache. Die Botschaft ging einerseits an die Leute im Machtapparat von Belarus – seht her: Putin stützt Lukaschenko, also haltet gefälligst auch zu ihm – und andererseits an den Westen – im Sinne von: Seht her, Belarus gehört zum Einflussbereich Moskaus, wagt ja nicht, das Land anzufassen.
In gut zwei Wochen treffen sich Putin und US-Präsident Biden zum Gipfel in Genf. Muss man das Sotschi-Treffen vom Wochenende als Kraftmeierei vor dem Genfer Gipfel sehen?
Ja, denn auch beim Genfer Gipfel wird es um Belarus gehen. Jetzt hat Putin noch einmal seine Position unterstrichen und eine rote Linie gezogen: Belarus bleibt im russischen Orbit. Die USA ihrerseits haben mit den Sanktionen gegen Belarus – im Zusammengehen mit den Europäern – ein Signal an Moskau gesendet, Lukaschenko nicht mehr zu akzeptieren, sondern ihn zu bekämpfen.
Putin hat Lukaschenko in Sotschi einen weiteren Kredit, diesmal in Höhe von 500 Millionen Dollar zugesagt. Wie dringend braucht er dieses Geld?
Er braucht ihn ziemlich dringend. Die seit einem Jahr andauernde politische Instabilität in Belarus hat der Wirtschaft zugesetzt. Schon vorher lebte Minsk zu einem guten Teil von russischen Krediten, und jetzt ist Lukaschenko noch stärker auf das Geld aus Moskau angewiesen als vorher.
Man weiss nicht, was Putin von Lukaschenko für all die Kredite erhält.
Die Frage stellt sich, was Putin für all die Kredite von Lukaschenko erhält. Spekuliert wird, dass Moskau möglicherweise Zugriff auf belarussische Schlüsselindustrien erhält, oder auf Militärbasen. Putin hat zwar Fotos von gemeinsamen Schiffsfahrten veröffentlichen lassen, doch die Gespräche der beiden Delegationen fanden hinter verschlossenen Türen statt.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron beraten heute über neue Sanktionen gegen Lukaschenko. Können solche Sanktionen Lukaschenkos Regime überhaupt treffen, solange Putin zu ihm hält?
Sie treffen ihn schon, aber sie bringen ihn nicht zu Fall. Je härter die Sanktionen des Westens sind, desto höher wird der Preis für Putin, Lukaschenko weiter zu stützen. Gegner Lukaschenkos verlangen teils sehr harte Massnahmen, wie etwa Belarus vom internationalen Zahlungsverkehr abzukoppeln. Das könnte für Lukaschenko – und Putin – sehr teuer kommen.
Je härter die Sanktionen des Westens, desto teurer wird es für Putin.
Doch ob sich der Westen tatsächlich dazu durchringen kann, bleibt derzeit offen. Generell sollte man sich keine Illusionen machen: Der Westen hat nur einen kleinen Einfluss darauf, was in Minsk geschieht, solange Putin seine Hand über Lukaschenkos Regime hält.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.