- Der Protestbewegung reicht es nicht, dass Regierungschefin Carrie Lam das umstrittene Gesetz für Auslieferungen nach China komplett zurückgezogen hat.
- Das 14. Wochenende in Folge kommt es zu Demonstrationen und Ausschreitungen.
- Dabei ist einer der Anführer der pro-demokratischen Proteste, Joshua Wong, nach eigenen Angaben erneut festgenommen worden.
Trotz der Zugeständnisse der Regierung zogen zehntausende regierungskritische Demonstranten in einem zunächst friedlichen Marsch zum US-Konsulat in der chinesischen Sonderverwaltungszone, um für Unterstützung der Amerikaner zu werben.
Demonstranten trugen die US-Flagge, auch die Nationalhymne der USA war zu hören. Später errichtete ein Teil von ihnen Barrikaden und setzte sie in Brand. Auch Scheiben einer U-Bahn-Station wurden eingeschlagen. Andere Demonstranten warfen Pflastersteine auf Polizisten, die ihrerseits Tränengas einsetzten.
Gesetzesrückzug hilft nicht
Zuvor hatten Demonstranten am Samstag Einkaufszentren sowie U-Bahn-Stationen besetzt, wobei es auch zu Zusammenstössen mit der Polizei der chinatreuen Regierung kam. Mit einem Grossaufgebot verhinderte die Polizei einen neuen Protest am Hongkonger Flughafen. Ein Brennpunkt war dabei auch die U-Bahn-Station Prince Edward, wo wütende Protestler die Herausgabe von Überwachungsvideos forderten und eine Barrikade in Brand setzten. Die Polizei reagierte mit Pfefferspray.
Als Zeichen der Entspannung in Richtung der Protestbewegung hatte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am Mittwoch den Entwurf für ein umstrittenes Gesetz für Auslieferungen nach China komplett zurückgezogen, das die Proteste ursprünglich ausgelöst hatte.
Mit dem formellen Rückzug erfüllt Lam eine Hauptforderung der Demonstranten, die seit drei Monaten für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer wieder auf die Strasse gehen. Aktivisten machten aber deutlich, dass ihnen das nicht reicht.
Merkel meldet sich zu Wort
Zu weiteren Forderungen der Demonstranten gehören der Rücktritt der Regierungschefin, eine unabhängige Untersuchung übermässiger Polizeigewalt, die Freilassung von Festgenommenen und eine Rücknahme des Vorwurfs des «Aufruhrs», sowie politische Reformen und wirklich freie Wahlen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel äusserte zum Abschluss ihres China-Besuches erneut ihre Hoffnung, dass die Konflikte in Hongkong friedlich gelöst werden.
«Ein Land, zwei Systeme»
Chinas Premier Li Keqiang äusserte sich mit Blick auf die Lage in Hongkong zurückhaltend. Die Zentralregierung unterstütze die Regierung dort, «Gewalt und Chaos» im Rahmen der Gesetze zu beenden, sagte er.
Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China in ihrem eigenen Territorium mit einem eigenen Grundgesetz nach dem Prinzip «ein Land, zwei Systeme» autonom regiert. Die Hongkonger stehen unter Chinas Souveränität, geniessen aber – anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik – mehr Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Viele fordern auch freie Wahlen, wie es ihnen einst in Aussicht gestellt worden war.