Ex-Präsident Donald Trump ist in New York angeklagt worden, er soll Geschäftsunterlagen in 34 Fällen gefälscht haben. Für den USA-Kenner Josef Braml ist klar: Die Anklage gibt Trump Rückenwind bei seiner Präsidentschaftskampagne 2024. Und Braml weiss auch, wieso das für die Demokraten von Vorteil sein könnte.
SRF News: Sind die 34 aufgeführten Anklagepunkte von New York ernsthaft genug, um Trump zu schaden?
Josef Braml: Sie reichen nicht aus. Es ist erstaunlich, wie wenig Neues jetzt auf den Tisch gelegt worden ist – der Fall ist ja bereits sieben Jahre alt. Jetzt sucht ein Bezirksstaatsanwalt die grosse Bühne, doch sein Schwert der Justizia wird politisch zweischneidig sein.
Die ganze amerikanische Bevölkerung denkt jetzt, dass das Ganze politisch motiviert sei.
Trumps Narrativ, er sei Opfer einer Hexenjagd, geht also auf?
Es verfängt jetzt nicht mehr nur bei seinen Anhängerinnen und Anhängern. Die ganze amerikanische Bevölkerung denkt jetzt, dass das Ganze politisch motiviert sei. Das Verfahren wird sich jetzt über Monate hinziehen und in den Wahlkampf 2024 hineinreichen. Da wird Trump wieder politisches Kapital daraus schlagen können.
Wird die jetzige dünne Anklage aus New York den anderen möglichen Fällen von Verfehlungen Trumps – wie der Sturm aufs Kapitol – schaden?
Wenn der Schuss jetzt erneut ins Leere geht, dann verfestigt sich in der amerikanischen Bevölkerung die Meinung, man versuche mit allen Mitteln, Trump vom politischen Amt abzuhalten.
Der 6. Januar 2021 war sehr viel schwerwiegender als die Vorwürfe aus New York.
In der Tat hat Trump sehr viel mehr auf dem Kerbholz, als ihm in New York vorgeworfen wird. Dazu gehört der 6. Januar 2021, als er den Mob zum Sturm aufs Kapitol aufgewiegelt hat, um zu verhindern, dass der neue Präsident Joe Biden zertifiziert werden kann. Das war sehr viel schwerwiegender als die New Yorker Vorwürfe.
Aufseiten der Republikaner stellen sich jetzt alle demonstrativ hinter Trump. Wie lange hält dieser Burgfrieden?
Mike Pence oder Ron DeSantis müssen sich jetzt hinter Trump stellen, sie können nicht anders. Und auch wenn diese Front nicht lange hält, gibt das Trump die Möglichkeit, das Momentum zu verstärken. Das hilft Trump und damit geht die juristische Massnahme nach hinten los.
Was bedeutet das für die Demokraten und Präsident Biden, der nächstes Jahr ja nochmals antreten will?
Die können sich zurücklehnen und abwarten. Es ist durchaus in ihrem Interesse, dass sich Trump jetzt als republikanischer Frontrunner verfestigt. Denn weil sie jetzt hinter Trump stehen müssen, werden Pence oder DeSantis Startschwierigkeiten bekommen.
Gegen Trump kann sich Biden gute Chancen auf eine Wiederwahl ausrechnen – anders als gegen DeSantis.
Dabei ist davon auszugehen, dass Biden gegen DeSantis den Kürzeren ziehen würde, wohingegen er sich gegen Trump gute Chancen für eine Wiederwahl ausrechnen kann. Allerdings ist dabei noch vieles offen – Bidens Gesundheitszustand ist nicht der allerbeste und er wird nicht nochmals einen Wahlkampf aus dem Keller führen können. Er muss dann auf offener Bühne jeden Tag zeigen, wie fit er noch ist.
Historisch gesehen – wo steht die amerikanische Demokratie heute?
Vor dem 6. Januar 2021 hätte ich gesagt, die US-Demokratie steht kurz vor dem Abgrund und Zyniker hätten gesagt, man sei schon einen Schritt weiter. Doch Zynismus hilft uns nicht weiter – gerade uns Europäern nicht, die von der Schutzmacht USA elementar abhängig sind.
Trump ist bloss ein Indiz viel tiefer liegender Probleme der amerikanischen Demokratie.
Die amerikanische Demokratie ist schon länger defekt. Trump hat die Krise zweifellos verschärft, ist aber bloss ein Indiz viel tiefer liegender Probleme. Das sollte uns zu denken geben und uns von der Illusion befreien, dass die Amerikaner auch in Zukunft für uns die Kohlen aus dem Feuer holen werden.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.