US-Präsident Donald Trump rühmte sich im Wahlkampf gern als allein verantwortlich für den Wirtschaftsboom in den USA vor Corona. Doch Trump habe die gute wirtschaftliche Ausgangslage vom Vorgänger Barack Obama geerbt, sagt der Wirtschaftsprofessor Alfred Mettler.
Ausserdem liess Trump zugleich die US-Staatsschulden explodieren – unter anderem durch Steuersenkungen für Mittel- bis Besserverdienende sowie Unternehmen – notabene in Zeiten des Aufschwungs.
SRF News: Präsident Donald Trump hat Steuern gesenkt, die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen, die Börsenkurse haben neue Höchststände erreicht. Die Delle kam erst mit der Corona-Pandemie. Hat er seine Versprechen also gehalten?
Alfred Mettler: Auf den ersten Blick hat Trump seine Versprechen gehalten – auch wenn er sie sehr viel grossmundiger interpretiert, als sie tatsächlich sind. So sagte er, er sei jener Präsident, der am meisten Jobs kreiert habe. Klar aber ist: Das Wirtschaftswachstum war da, die Börse hat geboomt – all das wurde tatsächlich erst durch Corona gebremst.
In der US-Politik ist es Usus zu sagen, der Präsident sei verantwortlich dafür, wie die Wirtschaft läuft. Das stimmt so natürlich nicht. Zwar haben die USA einen dominierenden Einfluss, doch es spielen viele weitere Faktoren bei der Wirtschaftsentwicklung mit. Um die grossen Zusammenhänge zu verstehen, muss man zur Finanzkrise 2008 zurückgehen. Präsident Barack Obama erbte damals eine sehr desolate Situation, es dauerte einige Jahre, bis die Wirtschaft wieder lief. Schliesslich ging es in den USA ab 2012 wirtschaftlich aufwärts – also schon vier Jahre, bevor Trump ins Amt kam.
Trump ist keinesfalls allein dafür verantwortlich, dass die Wirtschaft vor Corona so gut lief.
Das Wachstum war in den letzten vier Obama-Jahren sogar höher als in den vergangenen vier Trump-Jahren. Insofern hat Trump eine sehr komfortable Situation geerbt. Die Wirtschaft wuchs unter ihm weiter, dadurch verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen – aber es war keineswegs Trump allein, der für die gute wirtschaftliche Lage vor Corona verantwortlich war.
Trump zettelte einen Handelsstreit mit China an – er führte Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporten ein, China verhängte deshalb Zölle auf US-Landwirtschaftsprodukte. Hat sich dieser Streit für die USA gelohnt?
Das ist noch offen – aber ich denke, am Schluss wird sich das für die USA kaum lohnen. So mussten US-Landwirtschaftsgüter, die nicht mehr nach China exportiert werden konnten, stark subventioniert werden.
Trump hat sich in ein höchst komplexes Feld manövriert.
Auch muss man sehen: Die US-Firmen waren in erster Linie deshalb nach China gegangen, weil sie dort ihre Produkte viel billiger herstellen konnten. Das bedeutete, dass die Produkte für die Amerikaner billiger wurden. Neben den tieferen Kosten spielten dabei auch die relativ lockeren Umweltvorschriften in China eine Rolle.
Diese Ausgangslage mit einem Wirtschaftskrieg ändern zu wollen, ist eine sehr verwegene Sache. Trump hat sich dabei in ein höchst komplexes Feld manövriert, aus dem herauszukommen es nicht einfach werden wird.
Das Gespräch führte Roger Aebli.