In der Geschichte des Welthandels haben Zölle auch schon für Handelskriege gesorgt – so etwa während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Der Wirtschaftshistoriker Jan Otmar Hesse kennt sich mit dem Thema aus. Er sagt: Langfristig schaden Zölle vor allem jenem Land, das sie erhebt.
SRF News: Was passierte während der Weltwirtschaftskrise vor 95 Jahren?
Jan-Otmar Hesse: Der Handelskonflikt in den 1930er-Jahren wurde durch ein Zolltarifgesetz («Smoot-Hawley Tarriff Act») in den USA ausgelöst. Es hob die Importzölle für alle Handelspartner und rund 20'000 Produkte auf bis zu 60 Prozent an. Das beschleunigte und verschärfte die Weltwirtschaftskrise massiv.
Hatte diese Zollpolitik der USA langfristige Folgen?
Indirekt wirkt dieser Protektionismus bis heute – indem seit dem Zweiten Weltkrieg versucht wurde, ähnliches künftig zu vermeiden. Im Gegenzug gründete man internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation. Darin verständigten sich sehr viele Länder darauf, dass man nicht mehr in eine ähnliche Situation kommen wolle.
In 1930er-Jahren kollabierte der Welthandel förmlich.
Denn die unmittelbaren Folgen des «Smoot-Hawley Tarriff Act» – und der Weltwirtschaftskrise – waren massiv: Der Welthandel kollabierte förmlich, er schrumpfte innert weniger Jahre um Zweidrittel. Die Unternehmen produzierten nur noch lokal und für die eigene Region, was die Produkte stark verteuerte. Dies traf wiederum alle Menschen in der Gesellschaft.
Können Zölle überhaupt die eigene Wirtschaft vor Konkurrenz nachhaltig schützen?
Intuitiv denkt man, dass ein Zoll den ausländischen Produzenten trifft. Doch in Wahrheit trifft man damit den inländischen Konsumenten, weil ein Zoll zu höheren Preisen im Inland führt. Dies wiederum erlaubt es auch den inländischen Produzenten, ihre Preise zu erhöhen. Folge: Der inländische Konsum geht zurück. Zölle führen also immer zu höheren Preisen im Inland. Das ist im aktuellen Fall von Trumps Zoll-Ankündigungen von vielen Experten in den USA auch so prognostiziert worden.
Langfristig führen Zölle dazu, dass die inländische Industrie am Leben erhalten wird, obschon sie nicht wettbewerbsfähig ist.
Gab es in der Vergangenheit auch andere Zwecke als Protektionismus der eigenen Wirtschaft, weshalb man Zölle eingeführt hat?
Zunächst: Ein Zoll ist gut für den Staat, denn er generiert Einnahmen. Die Grundbotschaft eines Zolls ist aber, dass die Regierung damit versucht, inländische Produkte zu schützen. Das können einzelne Sektoren sein und es kann kurzfristig gut gehen. Doch langfristig führen Zölle dazu, dass die inländische Industrie am Leben erhalten wird, obschon sie eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Auch bringt sie wegen der fehlenden Konkurrenz keine Innovationen mehr voran, was langfristig zum wirtschaftlichen Verfall führt.
Gibt es historische Parallelen zu Trumps aktueller Zollpolitik?
Hinter Trump steckt dieselbe Ideologie: Durch Zölle will man mehr Einnahmen generieren und die eigene Industrie fördern. Trump lädt diese Politik dabei populistischer auf, als das andere gemacht haben. Er tut so, als ob sehr spezifische Zölle für einige Länder oder Produkte die US-Wirtschaft retten könnten. In früheren Fällen waren Zölle jedoch meist als Notfallmassnahmen eingeführt worden – und nicht als langfristiges Wettbewerbssystem. Trump setzt jetzt also wider besseres Wissen auf Zölle – und dabei waren wir mit der Welthandelsorganisation WTO bis vor Kurzem ein ganzes Stück weiter.
Das Gespräch führte Rachel Beroggi.