Seit über drei Monaten halten die Proteste gegen das Regime in Iran an. Versöhnliche Töne sind von Teheran nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Der Sicherheitsapparat geht weiter brutal gegen Demonstrierende vor. Und sie sollen auch die volle Härte der Justiz zu spüren bekommen. Wie die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHRNGO) berichtet, droht mindestens 100 Menschen die Todesstrafe.
Ihnen würden Tatbestände zur Last gelegt, die in Iran mit der Hinrichtung bestraft werden können. Ein beträchtlicher Teil der Festgenommenen soll nur begrenzten Zugang zu juristischem Beistand haben. 13 der Inhaftierten wurden laut dem Bericht bereits im Schnellverfahren zum Tod verurteilt.
«Mit den Todesurteilen sollen die Menschen dazu bewegt werden, zu Hause zu bleiben», fasst IHRNGO-Direktor Mahmood Amiry-Moghaddam das Kalkül des Regimes zusammen. Das habe zwar einen «gewissen Effekt» auf die Protestbewegung, schüre aber die Wut der Menschen auf die Staatsmacht nur noch mehr. «Die Strategie, durch Todesurteile Angst zu säen, schlägt fehl.»
Mitte Dezember vollstreckte das Regime zwei Todesurteile. Dabei wurden die beiden 23-jährigen Demonstranten Mohsen Shekari und Majidreza Rahnavard hingerichtet.
Starke Zeichen des Widerstands
Karin Senz berichtet für die ARD über den Iran. Derzeit ist sie in Istanbul. Die Hinrichtungen hätten eine schockierende Wirkung auf die Menschen gehabt, sagt sie. «Die Proteste im Land sind offenbar weniger geworden.» Ob das direkt mit den Exekutionen zusammenhängt, sei schwer zu sagen. «Aber die Leute gehen ohnehin eher von einem Marathon als von einem Sprint aus.»
Im Moment ist die Lage in Iran laut der ARD-Korrespondentin zwar relativ ruhig. «Eingeschlafen sind die Proteste aber nicht.» Die Menschen würden sich etwa bei Beerdigungen versammeln, wo oft nicht mehr islamische Rituale vollzogen würden, sondern getanzt und musiziert werde. «Das ist völlig untypisch in einem Land wie Iran.»
Landesweit gibt es weiterhin starke Zeichen des Widerstands: «Abends rufen die Menschen noch immer Slogans wie ‹Tod dem Diktator› von den Balkons. Und für heute wurde erneut zu Protesten aufgerufen, auch wenn solche Aufrufe zuletzt auch mal ins Leere gelaufen sind», sagt Senz.
Neues Selbstbewusstsein der Frauen
Verändert hat sich auch das Strassenbild in Iran. Offenbar nachhaltig, wie die deutsche Journalistin berichtet. «Viele iranische Frauen verzichten demonstrativ auf das Kopftuch. Die Frauen haben in den letzten Monaten ein neues Selbstbewusstsein gewonnen.» Berichte, wonach die Sittenpolizei als Konzession an die Protestbewegung abgeschafft worden ist, bezeichnet Senz aber als «Blendgranate»: «Die Frauen müssen immer noch damit rechnen, dass sie verfolgt und bestraft werden, wenn sie das Kopftuch nicht tragen.»
Die Proteste richten sich aber nicht nur gegen die Diskriminierung der Frauen, sondern auch gegen die prekäre wirtschaftliche Lage im Land, den verhärteten Klerus, Korruption und die politische Klasse generell. Ihr wird nicht zugetraut, etwas zum Besseren zu ändern. «In den Protesten sehen die Menschen eine Chance, etwas im eigenen Land zu ändern», schliesst Senz. «Durch Wahlen war dies nicht zu erreichen. Das haben die letzten Jahre gezeigt.»