Der Westen droht Russland mit Konsequenzen in Form von Sanktionen, sollte Moskau in der Ukraine militärisch intervenieren. Mit Präsident Wladimir Putins Anerkennung der «Volksrepubliken Luhansk und Donezk» als unabhängige Staaten wird dieses Druckmittel immer wahrscheinlicher.
Mit realistischen – das heisst, aus westlicher Sicht verkraftbaren Sanktionen – werde es zwar nicht möglich sein, den Konflikt politisch zu entschärfen, sagt Russland-Experte und Ökonom Vasily Astrov. Dennoch gäbe es Optionen, welche die russische Wirtschaft empfindlich treffen könnten. Eine Übersicht.
Option: Sanktionen gegen russische Persönlichkeiten
Wahrscheinlichkeit: Wird bereits umgesetzt. Seit 2014 haben laut Astrov vor allem die USA diverse Sanktionsrunden gegen einzelne Personen im Umfeld des Kreml und gegen russische Oligarchen verhängt. Dazu gehören etwa Einreiseverbote oder das Einfrieren von Bankkonten.
Wirkung: Russland hat bereits darauf reagiert: «Der Elite wurde es erschwert, ausländische Aktiva – etwa ausländische Pässe oder Konten – zu besitzen», sagt Astrov. Der Widerstand der Elite gegen Putin sei klein, weil sie von ihm stärker abhängig sei als vom Rest der Welt. «Fakt ist: Trotz der Restriktionen haben doch relativ viele wohlhabende Russen Häuser in London oder an der Côte d’Azur.»
Option: Beschränkungen an den internationalen Finanzmärkten
Wahrscheinlichkeit: Hoch. Konkret könnte man russischen Firmen die Aufnahme von Kapital an ausländischen Finanzmärkten erschweren oder deren Aktiva einfrieren. Oder man verbietet es westlichen Investoren, russische Staatsanleihen auf dem sekundären Markt zu kaufen. «Diese Optionen würden sich in der russischen Wirtschaft bemerkbar machen, wären aber nicht mit grossen Problemen für die EU verbunden.»
Wirkung: Zwar würden derlei Beschränkungen einzelne Firmen schmerzen. Makroökonomisch gesehen aber, so Astrov, hätten sie keinen grossen Einfluss auf Russland. «Das Land steht finanziell sehr gut da.» EU-Banken, die mit Russland zusammenarbeiten, wären allerdings auch betroffen.
Option: Ausschluss Russlands von der internationalen Zahlungsorganisation SWIFT
Wahrscheinlichkeit: Unwahrscheinlich, da es sich um eine «ziemlich harte Intervention» handelt, die auch der EU schaden würde. «Selbst Putins Anerkennung der 'Volksrepubliken Luhansk und Donezk' wird dafür allein eindeutig nicht reichen», sagt Astrov.
Wirkung: Der russische Finanzsektor ist durch SWIFT stark in den internationalen Bankenmarkt eingebunden. Ohne SWIFT könnte man nur noch eingeschränkt Bankzahlungen vornehmen. «Kurzfristig wäre der Ausschluss ein Schock – allerdings auch für Europa, weil es sehr viel Handel zwischen der EU und Russland gibt.» Ein Drittel des russischen Aussenhandels entfällt auf die EU.
Option: Embargo auf westliche Technologie
Wahrscheinlichkeit: Sehr wahrscheinlich. «Diese Massnahme fällt in die Kategorie 'nicht harmlos für Russland, aber verkraftbar für den Westen'», sagt Astrov.
Wirkung: Zwar würde man so der russischen Wirtschaft schaden, aber mittel- bis langfristig würden die fehlenden Importe wohl durch inländische Produktion oder durch Importe aus China ersetzt.
Option: Einschränkung der bestehenden Energie-Importe aus Russland
Wahrscheinlichkeit: Sehr unwahrscheinlich, weil die gegenseitige Abhängigkeit sehr hoch ist. «Das wäre quasi ein atomarer Krieg, bei dem es keine Gewinner gibt.»
Wirkung: 40 Prozent aller Gasimporte in der EU hängen laut Astrov von Russland ab. «Wenn die EU kein russisches Gas oder Öl mehr importiert, wäre das die schlimmste aller Möglichkeiten.» Selbst Import-Kürzungen hält der Ökonom für sehr unwahrscheinlich. «Vorstellbar wäre höchstens, dass man gewissen Energiekonzernen beispielsweise den Zugang zu Kapitalmärkten erschwert.»
Option: Stopp von «Nord Stream 2»
Wahrscheinlichkeit: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte in Berlin bereits an, die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf Eis zu legen. Derzeit werde es keine Zertifizierung für den Betrieb der Pipeline geben.
Wirkung: Ein Unterbruch des Gasleitungsprojekts zwischen Russland und Deutschland ist für beide Seiten verkraftbar – zumal es noch nicht in Betrieb genommen wurde. Ausserdem ist das Projekt selbst unter den westlichen Staaten umstritten.