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Drei Jahre nach Kriegsausbruch «Die Ukrainer hoffen auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten»

Die USA und Russland diskutieren über ein Ende des Krieges in der Ukraine – ohne die Beteiligung Kiews. Für die Ukrainerinnen und Ukrainer eine schwierige Situation, wie die Journalistin Daniela Prugger in Kiew weiss.

Daniela Prugger

Freie Journalistin in Osteuropa

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Daniela Prugger berichtet als freie Journalistin aus Osteuropa und aus der Ukraine. Derzeit lebt sie in Kiew. Die gebürtige Italienerin berichtet von dort unter anderem für den «Standard».

SRF News: Wie nehmen die Menschen in der Ukraine die aktuelle Entwicklung wahr?

Daniela Prugger: Ich bemerke eine grosse Ernüchterung bei den Ukrainerinnen und Ukrainern. Seit drei Jahren halten sie im Angriffskrieg Russlands durch – und jetzt sitzen ihre Vertreter nicht mit am Verhandlungstisch.

Wie eine Zukunft in Würde aussehen könnte, ist völlig unklar.

Die Ukrainer haben aus ihrer Sicht seit Februar 2022 alles getan, um weiterhin in Sicherheit leben zu können. Doch wie ihre Zukunft in Würde aussehen könnte, ist derzeit völlig unklar.

Nimmt angesichts der Entwicklungen der vergangenen Tage der Pessimismus zu?

Ich bemerke in meinem Umfeld einen gewissen Pessimismus – und auch Zynismus. So sagte mir eine Freundin kürzlich, sie treffe Freunde praktisch nur noch an Geburtstagen – und Beerdigungen. Die Menschen sind kriegsmüde und sind es Leid, unter diesen Umständen leben zu müssen. Die Stimmung ist depressiv. Doch klar ist auch: Man gibt nicht auf.

Die internationale Entwicklung überschlägt sich: Reden in München, Treffen in Paris und Riad – verfolgen die Leute in der Ukraine das alles überhaupt im Detail mit?

Ich habe in den vergangenen Tagen vor allem mit Leuten hier in der Ukraine gesprochen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind – laut der UNO sind das 12.7 Millionen Menschen. Sie alle haben andere Sorgen, als die internationale Entwicklung im Detail mitzuverfolgen. Viele schauen keine Nachrichten mehr, weil sie das zusätzlich stresst. Sie leben von Tag zu Tag und müssen sich realen Herausforderungen stellen.

Wer Angehörige im Krieg verloren hat, hofft, das sei nicht alles vergebens gewesen.

Man hört von Schicksalsschlägen, von Menschen, die ihre Krebsmedikamente nicht mehr erhalten, von Kriegsversehrten, Verwundeten, Getöteten. Überall in der Ukraine muss man mit Raketen- und Drohnenangriffen der Russen rechnen. Und gerade von den Familien, die Angehörige an der Front verloren haben, hört man, dass sie hoffen, das sei nicht vergebens gewesen. Was die internationale Entwicklung angeht, warten die Menschen jetzt auf eine Entscheidung – und hoffen, dass diese zu ihren Gunsten fällt.

Aus den USA hiess es, die Ukraine werde wohl Gebiete an die Russen abtreten müssen. Wie stehen die Ukrainerinnen und Ukrainer dazu?

Als Beispiel kann ich die Haltung der Menschen in Nikopol in der Nähe von Saporischja beschreiben. Hier verläuft die Front ganz in der Nähe – und die Leute sind nicht bereit, Gebiete abzutreten. Sie befürchten, dass sich auch bei einem Waffenstillstand die Sicherheitslage nicht verbessern würde. In ihren Augen würde dies Putin bloss die Möglichkeit geben, aufzurüsten und in einigen Jahren erneut anzugreifen. Das haben die Ukrainer ja bereits erlebt – schliesslich starteten die Russen ihren Angriff im Donbass schon 2014.

Gibt es für die Ukrainer akzeptable Szenarien?

Man klammert sich an die Hoffnung, dass alles besser wird: Schliesslich könnten die Russen den Krieg sofort beenden und ihre Truppen auf russisches Territorium zurückziehen. Die Menschen hoffen aber vor allem auf nachhaltige Sicherheit, um ein Leben mit einer Zukunft leben zu können.

Derzeit laufen die Gespräche zwischen den USA und Russland ohne Ukraine. Gibt es noch Hoffnung, dass sich das ändern könnte?

Viele Menschen setzen auf Präsident Wolodimir Selenski, der in den vergangenen Tagen immer wieder betont hat, keinen Deal zu unterschreiben, den die Ukraine nicht mit ausgehandelt hat.

Das Gespräch führte Oliver Kerrison.

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SRF 4 News aktuell, 19.2.2025, 6:40 Uhr ; 

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