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Trumps Ukraine-Politik Selenski-Berater Podoljak spricht über den neuen Kurs der USA

Washingtons Ton gegenüber Kiew ist rau geworden. Für Waffenlieferungen sollen die USA Beteiligungen an ukrainischen Rohstoffen erhalten. Wolodimir Selenskis Berater Michajlo Podoljak über den neuen Kurs der USA.

Michajlo Podoljak

Berater von Wolodimir Selenski

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Michajlo Podoljak ist 1972 in der westukrainischen Stadt Lwiw geboren. Acht Tage nach seinem 50. Geburtstag ist Russland in die Ukraine eingefallen. Der langjährige Journalist und Politberater gehört zu den engsten Vertrauten des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski.

SRF: Demnächst soll die Ukraine mit den USA ein Rohstoffabkommen schliessen. Was würde ein solcher Deal für die Ukraine bedeuten?

Michajlo Podoljak: Uns ist klar, dass die militärische Unterstützung unsere Partner viel Geld kostet. Wir verstehen deshalb, dass sie eine Kompensation dafür fordern. Deshalb ist es für beide Seiten ein guter Deal. Er wurde übrigens von Präsident Selenski bereits nach den amerikanischen Wahlen vorgeschlagen. Von gemeinsamen Investitionen werden beide profitieren. Und wer in die Ukraine investiert, hat langfristig kein Interesse, dass dort Krieg herrscht.

Das ist zum Rohstoff-Deal bekannt

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Nach eigenen Angaben hat die Nachrichtenagentur Reuters Einblick in den Entwurf der Vereinbarung zwischen den USA und der Ukraine erhalten. Es besteht aus zwei Teilen.

1. Investitionsfonds für den Wiederaufbau:

  • Beide Länder werden einen Wiederaufbau-Investitionsfonds einrichten, um Einnahmen aus ukrainischen Ressourcen zu sammeln und zu reinvestieren. Vertreter beider Staaten sollen den Fonds gemeinsam verwalten.
  • Eine spätere Vereinbarung über den Fonds wird nach Abschluss dieses Abkommens «umgehend ausgehandelt».
  • Die Ukraine wird die Hälfte der Einnahmen aus künftig erschlossenen Ressourcen im Staatsbesitz in den Fonds einzahlen.
  • Das Abkommen nennt die Bodenschätze nicht konkret und verweist auf eine spätere, vom Parlament zu ratifizierende Vereinbarung.
  • Definiert werden die Ressourcenarten als «Vorkommen von Mineralien, Kohlenwasserstoffen, Erdöl, Erdgas und anderen abbaubaren Materialien». Dazu komme «weitere Infrastruktur im Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen» wie Flüssigerdgas-Terminals und Häfen.
  • «Zur Klarstellung: Diese künftigen Einnahmequellen umfassen nicht die gegenwärtigen Einnahmequellen, die bereits Teil der allgemeinen Haushaltseinnahmen der Ukraine sind», heisst es weiter.
  • Der Fonds soll darauf hinarbeiten, in ukrainische Projekte zu investieren sowie Investitionen in öffentliche und private Vermögenswerte anzuziehen – einschliesslich natürlicher Ressourcen, Infrastruktur, Häfen und staatlicher Unternehmen.
  • Die Fondsbeiträge werden in der Ukraine reinvestiert, um die Sicherheit und den Wohlstand des Landes zu fördern.
  • 2. Sicherheitsgarantieren:

    • Die US-Regierung wird die Ukraine in ihren Bemühungen um notwendige Sicherheitsgarantien für einen dauerhaften Frieden unterstützen. Konkrete US-Sicherheitsgarantien, auf die Kiew hofft, werden in dem Dokument nicht erwähnt.
    • Die USA werden eine langfristige finanzielle Verpflichtung zur Entwicklung einer «stabilen und wirtschaftlich florierenden Ukraine» eingehen.
    • Das Abkommen soll «konkrete Schritte zur Herstellung eines dauerhaften Friedens und zur Stärkung der wirtschaftlichen Sicherheitsresilienz» beinhalten.

Zuletzt sah es eher danach aus, als würden sich die USA von der Ukraine abwenden. Trump hat Selenski die Schuld am Krieg gegeben und ihn einen Diktator genannt. In der UNO stimmten die USA im Sinne Russlands. Lässt Trump die Ukraine im Stich?

Dieser Stil ist initiativ und maximal aggressiv – im positiven Sinne des Wortes.

Ich teile diesen Eindruck nicht. Natürlich sind unsere Beziehungen zur neuen Regierung nicht einfach. Sie hat einen Politstil, der sich radikal von jenem der letzten unterscheidet. Dieser Stil ist initiativ und maximal aggressiv – im positiven Sinne des Wortes. Und er ist auf Dominanz und schnelle Lösungen ausgelegt. Man muss einfach lernen, sich damit zurechtzufinden.

Die USA gehen auf den Aggressor Russland zu. Was, wenn sie die Ukraine fallen lassen?

Das glaube ich nicht. Falls die USA Europa und die Ukraine nicht mehr unterstützen, schaden sie ihrer Reputation – und schmälern ihre politischen Möglichkeiten. Das würde ihre eigene Sicherheit gefährden. Denn Russland ist nicht ein Land, das sich an langfristige Verträge hält. Deshalb glaube ich nicht, dass die USA ihre globale Führungsrolle wirklich ändern.

Schauen wir auf das Kriegsgeschehen. Russland rückt vor, wenn auch langsam und mit hohen Verlusten. Die USA wollen die Front einfrieren. Wäre das nicht auch im Interesse der Ukraine?

Eine schwierige Frage. Die Front einfrieren – und dann? Woher nehmen wir die Garantie, dass Russland nicht weiter aufrüstet und den Krieg in einem halben Jahr wieder fortsetzt? 2022 war Russland nicht wirklich vorbereitet auf einen solch grossen Krieg. Jetzt haben sie viel Erfahrung und wissen, welche Mittel sie wo einsetzen müssen.

Das langfristige Ziel der Ukraine ist ein Nato-Beitritt. Die USA haben sich aber klar dagegen ausgesprochen.

Ein Nato-Beitritt wäre für uns die einfachste und günstigste Sicherheitsgarantie. Das wäre für alle gut.

Ein Nato-Beitritt wäre für uns die einfachste und günstigste Sicherheitsgarantie. Das wäre für alle gut. Theoretisch auch für Russland. Denn die Nato ist strikt reguliert. Es ist klar, wer wie viele Waffen hat, wo sie stationiert sind und so weiter. Wenn alle russischen Nachbarn in der Nato wären, wäre für Russland das Risiko kalkulierbarer.

Als Sicherheitsgarantie hat Präsident Selenski auch schon eigene Atomwaffen ins Feld geführt. Können Sie das kommentieren?

Natürlich wären Atomwaffen eine Sicherheitsgarantie. Und ich spreche nicht einmal davon, eigene Atomwaffen zu bauen – sondern davon, Atomwaffen in der Ukraine zur Abschreckung zu stationieren. Diese Option gibt es natürlich. Aber sie wäre wohl noch schwieriger zu realisieren als ein Nato-Beitritt, da sie Gespräche mit allen Atommächten voraussetzt.

Unter welchen Bedingungen würde die Ukraine heute einem Waffenstillstand zustimmen?

Erstens fordern wir einen Gefangenenaustausch – alle gegen alle. Zweitens: Sicherheitsgarantien. Darunter verstehen wir unter anderem den Ausbau von Raketenabwehrsystemen und mehr Mittel für unsere Armee und die Rüstung – und möglicherweise Friedenstruppen. Drittens fordern wir, dass die besetzten Gebiete nicht als russisch anerkannt werden. Und viertens die volle Anerkennung durch Russland. Also, dass die Ukraine das Recht hat auf ihre Geschichte, ihre Kultur und ihre Sprache.

Das Gespräch führte Adrian Lemmenmeier.

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Rundschau, 27.2.2025, 20:10 Uhr ; 

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