Weil der Prague Defence Summit kein formeller Gipfel ist, kann zwar nichts beschlossen, dafür Klartext geredet werden.
Den Ton setzt Tschechiens Präsident Petr Pavel. Der offiziellen Nato-, EU- und G7-Lesart widersprechend, geht er davon aus, dass die Ukraine zumindest eine schmerzliche Teilniederlage erleiden wird. Denn «der Westen hat von Anfang an zu wenig getan». Russland kämpfe inzwischen effizienter, die westliche Unterstützung genüge bei weitem nicht.
«Hoffnung ist keine Strategie»
Dazu kommt: Die Russen sind stärker, handeln skrupelloser und sind zu grossen Opfern bereit. Zudem kämpft Moskau nicht mehr allein. Immer stärker wird es unterstützt von Peking, Pjöngjang und Teheran.
«Hoffnung ist keine Strategie», betont Pavel. Man müsse sich der Realität stellen. Das heisse zwar nicht, den vagen chinesisch-brasilianischen Friedensplan gutzuheissen oder Donald Trumps Vorstellungen von einem raschen Frieden. Bei beiden dürfte keine souveräne Ukraine übrigbleiben.
Offen ist bloss, welches Land als nächstes durch das wieder imperialistische Russland angegriffen wird.
Der tschechische Präsident wirbt stattdessen «für breit abgestützte Verhandlungen unter Einbezug Europas, aber auch Chinas oder Indiens, damit sie Druck machen auf Moskau».
Das Resultat dürfte dennoch ein russischer Teilsieg sein. «Deshalb wächst die Bedrohung für Europa», warnt Litauens Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas, «und zwar nicht bloss vorübergehend. Wer an eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland glaubt, ist naiv.»
Griechenlands Generalstabschef Dimitrios Choupis sieht gar einen riesigen Bogen der Instabilität an Europas Ostgrenze, vom Polarmeer bis in den Nahen Osten: «Offen ist bloss, welches Land als nächstes durch das wieder imperialistische Russland angegriffen wird.»
Kleine europäische Armeen
Geht man von dieser Perspektive aus, hat das teure und damit höchst unpopuläre Konsequenzen. Nämlich weiter stark ansteigende Verteidigungsetats. Es gehe aber nicht nur um Geld, es gehe auch um Schlagkraft und um Rüstungsbeschaffung, so der deutsche Nato-General Jürgen-Joachim von Sandrart: «Ich brauche nicht bloss Kontingente auf dem Papier, sondern kurzfristig verfügbare Soldaten, Waffen und Munition. Es kommt in einem möglichen Krieg gegen Russland auch auf die Masse an.»
Derzeit sind die meisten europäischen Armeen nach Jahren der Abrüstung klein. Mehrheitlich auch nicht kriegserfahren und zu wenig trainiert, beklagt der britische General Chris Barry.
Viele westliche Länder wirken hilflos
Ausserdem wirken die meisten westlichen Länder hilflos angesichts des hybriden Kriegs, den Russland bereits angezettelt hat – mit Desinformation, Sabotageakten, Cyberangriffen. «Wir zögern zu reagieren, um Moskau nicht zu provozieren. Doch tun wir nichts, geht Russland immer weiter», so der Litauer Kasciunas.
Was am Prager Treffen auch auffällt: An ein Alternativszenario, an eines, in dem zwischen Russland und dem Westen wieder gedeihliche Beziehungen herrschen, glaubt so gut wie niemand mehr. Was wohl seitens des Kremls ebenso gilt.