Schwarzes T-Shirt statt Anzug, ein fester Händedruck und klare Aussagen: Mychajlo Fedorow ist ein Politiker, der anpackt. Er unterzieht die Ukraine einer grundlegenden Veränderung.
Seine Strategie heisst «digital first», wie er im Gespräch erklärt: «Bevor wir eine neue Dienstleistung lancieren, modellieren wir sie online, prüfen, ob sie funktioniert, bevor wir sie auch offline anbieten. Und wir betrachten alle bereits bestehenden Institutionen unter dem Gesichtspunkt, wie sie funktionieren sollten – und nicht, wie sie aktuell funktionieren.»
Ziel: Bekämpfung der Korruption
Fedorow und sein Team wollen Transparenz schaffen und damit Korruption unterbinden. Sie seien daran, alle Dienstleistungen in korruptionsanfälligen Branchen zu digitalisieren und so den menschlichen Faktor möglichst auszuschalten. Jeder Schritt werde dokumentiert und könne nicht nachträglich manipuliert werden. Seine Leute hätten ein Rating der korruptesten Bereiche angelegt, und diese nähmen sie sich nun Schritt für Schritt vor. Aktuell sind das die Baubranche und die Einfuhr und Verzollung von Fahrzeugen.
Damit legt sich der junge Minister mit korrupten Seilschaften an. Er geniesst dabei das volle Vertrauen von Präsident Wolodimir Selenski.
Dank App müssen Ukrainer nicht aus dem Haus
Fedorow hat 2020 die staatliche Dienstleistungsapp «Diia» lanciert, die sich grosser Beliebtheit erfreut. Sie ist mehr als ein digitaler Ausweis: Man kann damit Steuern zahlen, mit wenigen Klicks ein Unternehmen gründen oder Sozialleistungen beziehen.
Fedorow beim Interview mit SRF
Und jetzt, in Zeiten des Krieges, ist «Diia» besonders wertvoll. Man könne schnell auf neue Herausforderungen reagieren, so der Digitalminister, und nennt ein Beispiel: Als Russland angefangen habe, Wohnhäuser und Infrastruktur mit Raketen zu beschiessen, hätten sie eine Anwendung kreiert, mit der Schäden erfasst, gemeldet und Kompensationen ausgezahlt werden könnten.
In frontnahen Gebieten, die unter Beschuss stehen, können die Menschen online ein Konto eröffnen, den Lohn oder die Rente erhalten, ohne dass sie sich physisch irgendwohin begeben und sich so zusätzlicher Gefahr aussetzen müssen. Über «Diia» kann die Bevölkerung aber auch Informationen über die gegnerischen Truppen oder über Kriegsverbrechen weitergeben.
Fedorow tüftelt an Kriegsrobotern
Der 33-jährige Minister, der auch Vizepremier ist, spielt auch in militärischen Belangen eine wichtige Rolle. Er treibt die Entwicklung von Drohnen voran, er lässt Roboter entwickeln, die bald in der Lage sein sollen, zu kämpfen, Verwundete zu evakuieren oder Munition zu transportieren. Und er hat letzten November eine Koordinationsgruppe geleitet, die dem wichtigen Bau von Verteidigungsanlagen Schwung verlieh.
Ende Mai reiste Fedorow in die Schweiz, um die Resultate seiner Arbeit vorzustellen. Denn der Bund unterstützt die digitale Transformation der Ukraine seit 2015. Für diese langjährige Unterstützung sei die Ukraine dankbar, sagt der Minister. Die Bevölkerung der Schweiz helfe mit den Steuergeldern nicht nur, die Ukraine zu digitalisieren, sondern auch ukrainisches Leben zu retten. Und tätige eine wichtige Investition in die Zukunft.