Ab 2035 müssen in der EU und in der Schweiz sämtliche Neuwagen CO₂-frei sein. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, muss hierzulande noch viel getan werden. Erst 20 Prozent der verkauften neuen Autos sind Elektrofahrzeuge.
Anders das Erdölland Norwegen: Im Königreich werden bereits ab dem 1. Januar 2025 keine neuen Autos mit Verbrennermotor mehr verkauft. Einen Schock auslösen wird dies aber nicht im skandinavischen Land. Denn schon dieses Jahr hatten nur noch fünf Prozent der verkauften Neuwagen in Norwegen einen Benzin- oder Dieselantrieb, weiss SRF-Nordeuropamitarbeiter Bruno Kaufmann.
Weshalb ist Norwegen so rasch auf E-Mobilität umgestiegen?
Es war nicht rasch. Erste Initiativen gab es bereits Ende der 1980er-Jahre, damals schon als Gegengewicht zum Aufstieg des Landes als eines der grössten Öl- und Gasproduzenten. In den 2010er-Jahren war sich dann die Politik von links bis rechts einig, aus der fossilen Energie im Transportsektor auszusteigen. Die Einigung bestand nicht aus Subventionen, sondern aus anderen ökonomischen Anreizen wie Steuersenkungen. Und dieser Meilenstein 2025 ist auf natürliche Weise entstanden: Es brauchte keine speziellen Gesetze und Bestimmungen. Die Norwegerinnen und Norweger sind einfach so weit.
Haben in Norwegen Mieterinnen und Wohnungseigentümer ein Recht auf eine Ladestation zu Hause?
In der Schweiz haben Mieter und Besitzerinnen von Eigentumswohnungen kein Recht auf eine Ladestation. Das ist in Norwegen anders. Einerseits hat man schon seit langem Parkplätze mit Stromsteckern ausgerüstet – früher nicht wegen der Elektrobatterien, sondern wegen Motorwärmern. Im Winter konnte man das schon immer überall sehen. Zum anderen gibt es eine wachsende Nachfrage, weil immer mehr Autos auf diese Ladeinfrastruktur angewiesen sind. In Oslo sind bereits die meisten Parkplätze mit solchen Ladestationen ausgerüstet. Es gibt sogar Parkhäuser, die nur noch E-Autos bedienen.
In Norwegen kostet der Strom nur etwa ein Drittel so viel wie im Vergleich mit der Schweiz – weshalb?
Norwegen ist in dieser Hinsicht ein besonderes Land. Es deckt den Strombedarf fast zu 100 Prozent mit eigener Wasserkraft ab. Diese Entwicklung ist über hundertjährig. Seit der Unabhängigkeit Norwegens 1905 hat man in vielen Ortschaften kleinere und grössere Wasserkraftwerke gebaut, womit viele Gemeinden reich geworden sind. Sie konnten Industrien anziehen und gleichzeitig den Energiebedarf Norwegens weitgehend abdecken und die Strompreise tief halten – auch wenn Norwegen als Teil des europäischen Strommarktes die Aufs und Abs der Strompreise miterlebt.
Gibt es in Norwegen Bedenken beim Umstieg auf E-Mobilität?
Grundsätzlich gibt es keine Bedenken. Vor einem Jahr führten aber massive Schneefälle und arktische Temperaturen im Land zu Stromausfällen und Problemen mit Autobatterien , zum Beispiel bei Elektrobussen. Solche Situationen, in denen die Schwachstellen der Infrastruktur aufgezeigt werden, gibt es immer wieder. Man muss sehen: Trotz der sehr weitgehenden Umstellung auf E-Autos fährt erst gut ein Drittel der Fahrzeugflotte wirklich mit Strom. Derzeit werden Milliarden in den weiteren Umstellungsprozess investiert, vor allem bei Bussen und LKW – dies mit ökonomischen Anreizen, die die Elektromobilität kostengünstiger machen sollen.