11.8 Millionen Studierende schliessen frisch die Uni ab. Stellen für sie sind rar. Genauso wie der Freiraum, darüber zu reden.
Schlechte Angebote
Er suche seit über einem Jahr einen Job, sagt ein junger Ingenieur vor der Jobmesse in Shanghai. Es sei sehr schwer, etwas zu finden. Das sagen alle, die aus der Jobmesse kommen. Viele von ihnen haben zwar in den letzten Monaten schon Angebote erhalten. Aber: «Nach Abzug der Fixkosten wäre praktisch nichts übriggeblieben», sagt der junge Ingenieur, der eben vier Angebote abgelehnt habe.
Eine andere Frau Anfang 20, die zwei Jobs in der Personaladministration ablehnte, meint: «Ich habe wohl die Lage auf dem Arbeitsmarkt falsch eingeschätzt.»
Propaganda verzerrt Bild
Doch ihr Bild war wohl einfach durch die Propaganda geprägt. In den staatlich kontrollierten Medien wird in erster Linie darüber berichtet, was die Regierung alles für die Jungen macht, um sie zu unterstützen.
Eine Debatte, wie schwierig die Situation ist, gibt es kaum. Kritik fällt der in China weitverbreiteten Zensur zum Opfer.
Psychische Belastung
Genau diese Konstellation habe grosse Auswirkungen auf die Jungen, die keine Jobs finden. Das sagt eine Psychologin, die lange als Dozentin und Schulpsychologin an chinesischen Schulen und Universitäten tätig war. «Wenn wir eine offene Gesellschaft hätten und die Medien über den wirtschaftlichen Abschwung sprechen könnten, dann wäre der Druck für den Einzelnen geringer», sagt sie. Da aber nicht diskutiert werde, so die Psychologin, «kann ein Betroffener nur sich selbst die Schuld geben.»
Die Propaganda verstärke dabei den Druck auf die Jungen sogar noch. Die staatlich kontrollierten Medien sagen nicht nur nicht, wie es tatsächlich um die Wirtschaft steht. «Sie sagen sogar, dass die Wirtschaft wächst und die Regierung viel für die Jugend getan hat. Zum Beispiel, dass sie so und so viele Arbeitsplätze für junge Menschen geschaffen hat.»
Zensur von Daten
Das kommt davon, dass die Propaganda den Führungsanspruch der kommunistischen Partei kontinuierlich legitimieren muss.
Die Folgen für die Jungen in dieser Situation, bestätigen mehrere Expertinnen und Experten, seien vermehrt ernsthafte psychologische Probleme und eine Zunahme von Suiziden bei den Jungen. Öffentlich zugängliche Daten, insbesondere zu letzterem, gibt es seit vergangenem Sommer allerdings nicht mehr.
Auch diese Art von Zensur gibt es in China immer wieder. Daten, die nicht ins Bild passen, verschwinden. Vergangenen Sommer etwa wurde die Jugendarbeitslosenquote zwischenzeitlich nicht mehr publiziert. Zu diesem Zeitpunkt erreichte sie einen Rekordstand von über 20 Prozent, Tendenz weiter steigend.
Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt
Nachdem die Behörden eine neue Berechnungsmethode gefunden hatten, wurden die Daten ein halbes Jahr später wieder publiziert.
Die Ausgangslage für die bald 11.8 Millionen Uni-Abgängerinnen und -Abgänger, die diesen Sommer auf den Arbeitsmarkt strömen, hat sich indes nicht verbessert.
Das wissen auch die Jungen an der Jobmesse. Eine Telekom-Verkäuferin sagt deshalb: «Ich bin nicht so zuversichtlich, aber in fünf Jahren wird es besser sein.»