Die Felder von Roberto Bassi kann man nur von der Strasse aus besichtigen. Denn die Strasse ist inzwischen wieder sauber, während auf den Feldern noch immer viel dicker Schlamm liegt: Die Gewalt des Wassers hat Erde angeschwemmt und junge oder kleine Pflanzen einfach mitgerissen.
Bassi spricht von «la furia», von der Wut des Wassers. Sie hinterlässt Zerstörung und Morast, der nun an der schon ziemlich heissen Sonne trocknet und steinhart wird: «Wir befürchten, dass die braune Kruste nun jene Pflanzen, die die Flut überlebten, ersticken wird.»
Bassi ist ein kräftiger Mann mit grossen Händen. Er besitzt einen mittelgrossen Betrieb, südöstlich von Bologna, in Castel Bolognese. Kiwi, Pfirsiche, Pflaumen, Trauben und Aprikosen: Das sind Bassis Produkte, die er zusammen mit acht Angestellten normalerweise in grossen Mengen – tonnenweise – produziert.
«Wir werden wieder aufstehen»
Bassi hat keine Ahnung, wie viel es in diesem Jahr sein wird, ob er all seine Angestellten weiterbeschäftigen kann. Denn der erlittene Schaden ist riesig: «Sehen Sie hier, auf diesem Feld stehen noch etwa 20 Prozent der Kiwibäume, der Rest ist weg.»
Doch der Landwirt will nicht verzweifeln. Er sagt: «Wir werden wieder aufstehen: Wir wollen von vorne anfangen, neue Bäume pflanzen, wir wollen euch wieder mit unseren Früchten versorgen.»
Retten, was man noch retten kann
Pietro Montanari arbeitet für den Bauernverband «Coldiretti». Er hat den Überblick über die ganze Region. Montanari ist unterwegs in seinem Auto, um die Schäden zu besichtigen, aber auch das, was noch steht. Montanaris Handy klingelt ununterbrochen, er antwortet über die Freisprechanlage.
Mitglieder des Verbandes rufen an, wollen wissen, was sie tun müssen wegen der milliardenschweren Soforthilfe, die die Regierung in Rom am Dienstag beschlossen hat. Schliesslich hält Montanari am Strassenrand, man sieht über ein tiefer liegendes Feld. Auf diesem steht das braune Wasser noch immer einen halben Meter hoch.
Nach Tagen im Wasser seien diese Pfirsichbäume nicht mehr zu retten, man müsse sie ausreissen. Montanari und der Bauernverband «Coldiretti» gehen davon aus, dass bis zu eineinhalb Millionen Bäume diese Flut nicht überleben werden. Genau werde man das aber erst in paar Wochen wissen.
Montanari nennt noch eine andere beeindruckende Zahl. Das Hochwasser betreffe in der ganzen Region Emilia-Romagna etwa 5000 landwirtschaftliche Betriebe. 50'000 Arbeitsplätze und damit der Reichtum einer ganzen Region stünden nun auf dem Spiel.
Viele Berggemeinden weiter isoliert
Sowohl Bauer Bassi als auch Bauernverbandsfunktionär Montanari sagen, man müsse nun die gebrochenen Schutzdämme der Flüsse schnell reparieren. Aber auch Flächen schaffen, die man bei Hochwasser gezielt überfluten könne, um die Gewalt des Wassers zu dämpfen.
Hier werde man das schaffen, ist Montanari überzeugt. Schwieriger werde es für die abgelegenen Dörfer hoch oben im Gebirge, im Apennin: Noch immer sind viele Berggemeinden isoliert, Strassen abgerutscht, Brücken eingestürzt, weitere Erdrutsche drohen. Bis diese Schäden behoben sind, dauere es Jahre. Es bestehe die Gefahr, dass die Leute diese Berggemeinden verlassen. Für immer.