- In den Überschwemmungsgebieten Libyens kämpfen die Rettungs- und Bergungsmannschaften auch nach über einer Woche mit überwältigenden Herausforderungen.
- In der stark zerstörten Hafenstadt Darna würden noch immer Leichen angespült, oder sie verwesten unter den Trümmern, berichtete der arabische Sender Al-Dschasira.
- Nach Angaben des UNO-Nothilfebüros (OCHA) kamen allein in Darna rund 11'300 Menschen ums Leben – über 10'000 weitere Menschen würden noch vermisst.
- Der Mangel an sauberem Trinkwasser schürt die Sorge vor der Ausbreitung von Krankheiten.
In dem armen, vom jahrelangen Bürgerkrieg gezeichneten nordafrikanischen Land treffen über den Flughafen Bengasi immer mehr Hilfsgüter ein. Auch ein ägyptischer Flugzeugträger, der als schwimmendes Spital fungieren soll, legte an, wie Ägyptens staatlicher Informationsdienst bekannt gab. Doch nach Angaben von Helferinnen, Bewohnern und internationalen Beobachtern reicht das alles noch längst nicht aus.
«Es ist so viel zerstört worden», sagte Claudia Gazzini, eine Libyen-Analystin der International Crisis Group, dem «Wall Street Journal». Sie machte sich in der stark zerstörten Hafenstadt Darna, dem Epizentrum der Katastrophe, ein Bild von der Lage. «Die Rettungsbemühungen sind klein im Vergleich zu den Schäden», so Gazzini.
Die Verteilung von Essen, Medikamenten, Planen und anderem bleibt schwierig. Denn viele Strassen und Brücken sind zerstört, und Konvois mit Hilfsgütern bleiben in kilometerlangen Staus stecken, wie Caroline Holt, globale Einsatzleiterin der Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, auf der Plattform X (früher Twitter) berichtete. Helferinnen und Helfer dringen nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen darauf, dass die Hilfseinsätze besser koordiniert werden.
Dass Libyen faktisch zweigeteilt ist, macht die Rettungseinsätze nicht einfacher. Das Bürgerkriegsland hat im Westen eine Regierung, die international anerkannt ist. Im Osten, wo der Sturm «Daniel» besonders grossen Schaden angerichtet hat, herrscht eine andere Regierung, die international nicht anerkannt ist.
Angst vor Krankheiten
Unterdessen suchen die Bergungsmannschaften in Darna im Osten des Landes weiter nach Leichen, die unter dem Trümmerchaos verwesen. «An jeder Ecke riecht man tote Menschen», sagte Osama Aly, Sprecher der libyschen Katastrophenschutzbehörde, die ihren Sitz in Tripolis im Westen hat, dem «Wall Street Journal».
Hinzu kommt der Gestank ungeklärter Abwässer. Vor allem der Mangel an sauberem Trinkwasser schürt die Sorge, es könnten sich Krankheiten wie Cholera ausbreiten. Bereits am Samstag wurden Strassen ausgeräuchert, und es werden regelmässig Wasserproben zur Analyse genommen. Nach Behördenangaben wurde zudem am Sonntag damit begonnen, Impfungen zu verabreichen.
Tausende Menschen obdachlos
Nach Angaben von Taufik al-Schukri, dem Sprecher des Roten Halbmonds, sind am Samstag aus eingestürzten Gebäuden auch noch Überlebende geborgen worden. Wie viele, konnte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA nicht sagen. Zu den Zahlen von OCHA zeigte sich al-Schukri skeptisch. Er kenne die Quelle für die Zahlen nicht, sagte er auf Anfrage – offizielle Zahlen kämen einzig von den Behörden.
Durch den Sturm «Daniel» haben in Darna nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 35'000 Menschen ihre Unterkünfte verloren. Laut der WHO wurden bis Ende vergangener Woche rund 4000 Todesopfer identifiziert und mit Totenscheinen registriert.