Das Erdbeben in Marokko und die Überschwemmungen in Libyen lösten in den letzten Tagen innert kürzester Zeit grosses Leid aus. Die Glückskette will helfen. Doch während in Marokko die Spendensammlung angelaufen ist, kann die Stiftung in Libyen zurzeit nicht aktiv werden. Ein Gespräch mit der Mediensprecherin über die Lage vor Ort.
SRF News: Zwei schlimme Katastrophen kurz nacheinander. Wie reagiert die Glückskette?
Judith Schuler: Als am Samstag in Marokko die Erde bebte, mussten wir zunächst einmal schauen, welche Partnerorganisationen wir vor Ort haben, und wie diese helfen können. Darum konnten wir erst am Montag den Spendenaufruf starten. Dann kamen die Überschwemmungen in Libyen – und wir mussten feststellen, dass wir keine Partner vor Ort haben. Ohne die geht es aber nicht, denn wir sprechen keine Gelder, bevor wir nicht wissen, wie diese eingesetzt werden. Und auch danach muss die Kontrolle der Geldflüsse sichergestellt sein.
Der Winter in den Bergen Marokkos kommt bald. Die Menschen brauchen jetzt Hilfe.
Mit wem arbeiten Sie denn zusammen?
Wir haben insgesamt 25 Partnerorganisationen. Darunter sind grössere und kleinere Schweizer NGOs – die Projektsteuerung erfolgt aber in jedem Fall aus der Schweiz. In Marokko arbeiten wir derzeit mit dem christlichen Friedensdienst (CFD) und Médecins du Monde zusammen. Diese stellen Wasser, Decken und Zelte zur Verfügung. Ausserdem stehen wir in Austausch mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza). Weitere Schweizer NGOs klären derzeit ab, wie sie Hilfe leisten können.
Wo ist die Not denn am grössten?
Vor allem in den abgelegenen Bergregionen. Die Zufahrtswege dorthin sind nur schwer passierbar. Im Moment geht es noch darum, die Nothilfe sicherzustellen. In einer zweiten Phase wird es dann darum gehen, die lebensnotwendige Infrastruktur, wie die Wasser- und Elektrizitätsversorgung, wieder sicherzustellen. Sollten die Mittel vorhanden sein, können wir uns längerfristig dann auch am Wiederaufbau beteiligen – wie 2015 in Nepal. Generell ist es wichtig, dass jetzt schnell Hilfe eintrifft, denn der Winter kommt bald. In den nächsten Wochen braucht es weitere Notunterkünfte, neben den bereits bestehenden Zelten.
Der Entscheid Marokkos, die Schweiz nicht um Hilfe zu bitten, beeinträchtigt unsere Arbeit nicht.
Die Schweiz gehört nicht zu den Ländern, die von Marokko um Hilfe gebeten wurden. Warum nicht?
Viele Länder haben Marokko Angebote gemacht, und einige haben auch sofort reagiert. Die Schweiz hat sich bei ihrem Angebot auf die zweite Phase konzentriert und wartet daher noch auf eine Antwort. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass dieser Entscheid der marokkanischen Regierung unsere Arbeit nicht behindert.
Wie ist die Spendensammlung angelaufen?
Angesichts der enormen Bedürfnisse vor Ort leider noch nicht so. Das hatte einerseits sicher damit zu tun, dass wir unseren Aufruf nur verzögert starten konnten. Erfahrungsgemäss wollen die Menschen bei solchen Ereignissen immer schnell helfen. Anderseits spielte sicherlich auch die Unklarheit bezüglich der Meldung, wonach die Schweiz von Marokko nicht um Hilfe gebeten wurde, eine Rolle. Ich möchte wiederholen: Dieser Entscheid beeinträchtigt unsere Arbeit nicht.
Wie sieht die Situation in Libyen aus?
Die Situation rund um die Stadt Darna, wo es zu einem Dammbruch gekommen ist, ist sehr schwierig. Weil wir keine Partnerorganisationen im Land haben, können wir zurzeit keine Hilfe leisten. Das kann sich aber ändern, mehrere Organisationen sind dran, Abklärungen zu treffen. Sollt es Ansätze geben, könnten wir auch auf unseren Nothilfefonds zurückgreifen, der für solche Situationen geschaffen wurde.
Das Gespräch führte Patrick McEvily.