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Urteil nach WM-Kuss-Skandal «Dieser Kuss hat ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst»

Der ehemalige Präsident des spanischen Fussballverbands, Luis Rubiales, muss wegen eines sexuellen Übergriffs eine Geldstrafe zahlen. Die Kuss-Affäre bei der Frauenfussball-Weltmeisterschaft 2023 hat weltweit für Empörung gesorgt – Rubiales hat bei der Siegerehrung die Spielerin Jennifer Hermoso auf den Mund geküsst. Was dieser Fall im Frauenfussball bewirkt hat, erläutert die Geschlechterforscherin Monika Hofmann.

Monika Hofmann

Geschlechterforscherin

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Monika Hofmann ist Mitarbeiterin am Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern. Sie ist Koautorin des Buches «Das Recht zu kicken – die Geschichte des Schweizer Frauenfussballs».

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SRF News: Was hat dieser Kuss in der Frauenfussballwelt ausgelöst?

Monika Hofmann: Dieser Kuss hat ein regelrechtes Erdbeben ausgelöst. Noch nie zuvor hat man sich über sexuelle Übergriffe im Fussball weltweit in diesem Ausmass ausgetauscht. Es ging ein Aufschrei um die Welt. Dass die Fifa sofort reagiert hat und Rubiales suspendiert hat, ist eine starke und eindeutige Reaktion. Es zeigt, dass sexualisierte Gewalt im Sport nicht mehr geduldet wird wie vor zehn Jahren noch.

Was ist seither passiert, dass sich die Reaktionen auf einen solchen Übergriff verändert haben?

Seit der WM 2019 in Frankreich und der EM in England sind die Zuschauerinnen- und Zuschauerzahlen explodiert. Auch die WM in Neuseeland und Australien war ein regelrechter Hype, mit nie dagewesenen Zuschauerinnen- und Zuschauerzahlen, Übertragungen, Sponsorings und Werbeträgerinnen.

Der Hype um Frauenfussball hat dazu beigetragen, dass dieser Übergriff viral ging.

Auch hat sich der gesellschaftliche Diskurs verändert: Es wird viel darüber gesprochen. In der Schweiz wurde das Sexualstrafrecht überarbeitet. In Spanien gilt im Sexualstrafrecht das Prinzip «Nur Ja ist Ja». Dieser Übergriff ist in eine Zeit gefallen, wo man weiss, dass das nicht okay ist.

Der Frauenfussball hat stark an Popularität gewonnen. Es ist auch viel mehr Geld im Spiel. Warum kam es zu diesem Quantensprung?

Man spricht auch von einer Machtallianz: Je sichtbarer eine Sportart wird, desto mehr Gelder fliessen rein. Sie kann mehr vermarktet werden. Die Leute sehen es am Fernseher. Der Nachwuchs wird gefördert. Und mehr Menschen betreiben diesen Sport. Das ist mit dem Fussball auch passiert. Man hat den Frauenfussball als Markt und Produkt entdeckt und investiert.

Frau zeigt auf Wandbild mit Fussballszene und Wort 'RESPECT'.
Legende: 2023 hat Luis Rubiales die Spielerin Jennifer Hermoso auf den Mund geküsst. Die Staatsanwaltschaft hat eine Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren für Rubiales gefordert. Das Gericht hat sich nun für eine Busse von rund 10'000 Euro entschieden. Reuters/Bruna Casas (04.09.2023)

Hat die breite Diskussion um den Rubiales-Fall mehr mit dieser neuen wirtschaftlichen Macht zu tun oder doch mit gesellschaftlichen Veränderungen?

Da spielt beides zusammen. Bereits die MeToo-Bewegung in den 2010er-Jahren hat den Boden für diese breite Diskussion gelegt. Das ist auch im Sport angekommen, wie auch die Magglingen-Protokolle zeigen. Gleichzeitig hat der Hype um Frauenfussball hat dazu beigetragen, dass dieser Übergriff viral ging und die Menschen sich gewehrt haben.

Sexuelle Übergriffe im Frauenfussball sind leider noch weit verbreitet.

Wie verbreitet sind sexuelle Übergriffe im Frauenfussball heute noch?

Die sind leider noch weit verbreitet. Das zeigt sich auch am Beispiel einer der Topligen, den USA. 2022 hat dort die Schweizerin Tatjana Haenni ihr Amt als sportliche Direktorin der US-amerikanischen Liga angetreten. Es wurde eine Untersuchung zu Missbrauchsfällen in Auftrag gegeben, der zeigte, dass das Problem tief verwurzelt ist. Und wenn das in den grossen Ligen der Welt der Fall ist, ist es auch im Kleinen der Fall. Deshalb ist das Urteil gegen Rubiales so wichtig. Es zeigt, dass Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe nicht mehr geduldet werden. Es ist ein Präzedenzfall. Und es ist gut, dass die Täter sehen, so geht es nicht mehr weiter im Sport.

Das Gespräch führte Katrin Hiss.

SRF 4 News, 21.02.2025, 07:11 Uhr ; 

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