Mit dem Wiedereinzug Donald Trumps ins Weisse Haus weht zwischen Moskau und Washington hinsichtlich der Ukraine künftig ein anderer Wind. Im Kreml bestehe nun Hoffnung, aber auch Unsicherheit, sagt SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie.
Trump ist gewählt. Wie zufrieden ist man in Russland mit diesem Ergebnis?
Russische Staatsmedien und Politiker haben mit Freude auf Trumps Wahlsieg reagiert, aber es war vor allem eine Schadenfreude. Man freut sich darüber, dass Joe Biden und Kamala Harris eine bittere Niederlage erfahren haben. Ansonsten reagiert der Kreml sehr zurückhaltend – Putins Sprecher sagt, Amerika bleibe für Russland ein unfreundliches Land.
Im Kreml besteht die verhaltene Hoffnung, dass die USA die Ukraine jetzt im Stich lassen könnten. Aber generell hält man Trump für unberechenbar und deswegen hatte man nicht direkt auf seinen Sieg gehofft, sondern vielleicht sogar eher auf einen knappen Sieg von Harris. Erstens weiss der Kreml, womit man mit Harris dran ist. Zweitens rechnete er damit, dass Trump ein solches Resultat nicht anerkennen und Chaos in den USA auslösen würde. Chaos, Ablenkung von der Ukraine, die Verschärfung von bestehenden Spaltungen in westlichen Gesellschaften, das sind die Dinge, von denen sich Russland die meisten Vorteile verspricht.
Trump und Putin – was ist das für eine Beziehung?
Trump hat bislang nur schlecht verbergen können, dass er Putin als starke und kompromisslose Führungsfigur bewundert. Putin selbst sieht diese Bewunderung als Schwäche, die er ausnutzen kann. Er wird vielleicht versuchen, auf Augenhöhe mit Trump zu sprechen, ihm diese Männerfreundschaft vorzugaukeln – aber nur, um Trump dazu zu bringen, Russland politisch entgegenzukommen.
Die Unberechenbarkeit von Trump ist bekannt. Wie steht Russland dazu?
Das ist die grosse Frage, die den Kreml beschäftigt. Als Trump 2016 zum ersten Mal gewählt wurde, setzte Russland grosse Hoffnungen in ihn. Am Ende hat er mehr Sanktionen gegen Russland eingeführt. Im Kreml glaubt man auch, dass Trump von Russland gewisse Kompromisse will – und man weiss nicht, wie Trump reagieren wird, wenn Russland diese nicht einhält. So sehr man Trump als Chance sieht, stellt er auch ein Problem dar – nicht nur bezüglich der Ukraine: Trump hat ein sehr schlechtes Verhältnis zu China und zum Iran und ist in Afrika sowie in der islamischen Welt sehr unbeliebt. In diesen Weltregionen sind heute die wichtigsten Verbündeten von Russland zu finden.
Trump hat angekündigt, den Krieg innert 24 Stunden zu beenden. Wird Putin auf einen Deal eingehen?
Trumps sogenannten «Friedenspläne» sehen vor, dass der Konflikt eingefroren wird, dass die Ukraine auf die Nato-Mitgliedschaft verzichtet und Gebiete an Russland abtritt. Doch Russland will sehr wahrscheinlich einen solchen vorteilhaften Vertrag gar nicht. Putin hat von Beginn an nie seriös verhandelt und hofft weiterhin darauf, in einem Abnutzungskampf die Ukraine ganz besiegen zu können. Im Moment läuft es für Russland an der Front gut – Putin hat also gar kein Interesse daran, sich auf echte Verhandlungen einzulassen.
Sind diese «Friedenspläne» unrealistisch?
Das ist nicht unrealistisch, das ist unmöglich. Trump versteht nicht, dass Putin sich nicht einfach auf einen für ihn vorteilhaften Deal einlassen wird, sondern dass er aus ideologischer Überzeugung das Ziel verfolgt, Länder wie die Ukraine kontrollieren zu können. Putin verfolgt keine pragmatischen Ziele.