Die Demokraten wollten sich verlieben, um Wahlen zu gewinnen, sagte einst Bill Clinton. Sie brauchten Euphorie, eine Bewegung, Hoffnung. Die Republikaner stellten sich hingegen zuverlässig hinter ihren Kandidaten, fast egal, wer es ist.
Bill Clinton wusste, wovon er sprach. Die Demokraten liebten ihn, und er gewann zweimal deutlich, genauso wie später der begnadete Redner Barack Obama. Hillary Clinton hingegen konnte nur wenig Liebe entfachen. Ihr Wahlkampf anno 2016 wirkte berechnend und oft distanziert. An der Seite des langweiligen Vize-Kandidaten Tim Kaine (wer erinnert sich noch an ihn?) verlor sie gegen Donald Trump.
Niederlagen ohne Liebe
Auch die eher hölzernen Kandidaten John Kerry (2004) und Al Gore (2000) scheiterten unter anderem, weil sie das Feuer der Demokraten zu wenig entfachen konnten. Und Joe Biden siegte vor vier Jahren nur deshalb hauchdünn, weil eine Mehrheit mit Trump abrechnen wollte. Liebe war da kaum im Spiel.
Kamala Harris schien auf einem ähnlichen Pfad. Ihre früheren Auftritte erinnerten mich eher an Hillary Clinton – sie wirkte elitär und wenig inspirierend. Plötzlich aber ist alles anders. Seit sie als Kandidatin im Rampenlicht steht, scheint Harris aufzublühen. Sie zeigt – und weckt – Gefühle, wirkt authentisch, versprüht Optimismus.
Walz hilft der Euphorie
Innert weniger Tage scheint sich die Partei in sie verliebt zu haben. Und mit Tim Walz wählte Harris einen «Running Mate», der die positiven Emotionen auch aufs Land tragen kann, während Harris eher das junge, urbane Amerika anspricht. Es ist ein Entscheid für die Harmonie.
Die schockverliebten Demokraten sind eine grosse Gefahr für Trump und seine Republikaner. Noch kann viel passieren. Rückschläge werden kommen, Harris und Walz müssen sich in Interviews und allfälligen TV-Debatten bewähren. Und vielleicht versucht Russland – wie vor acht Jahren mit den Wikileaks-Enthüllungen – erneut für Trump einzugreifen.
Zurzeit aber läuft es für die Demokraten geradezu ideal. Harris kann auf eine gefüllte Kriegskasse zählen, auf Zehntausende euphorisierte Helferinnen und Helfer – und auf die wichtige Liebe der Parteibasis.