Zum Inhalt springen

Kein Support für Harris Das dröhnende Schweigen der Obamas

Barack Obama stellt sich bislang nicht hinter Kamala Harris. Der Grund dafür dürften aber nicht Präsidentschaftsambitionen seiner Frau Michelle sein.

Am Sonntag wurde Amerika vom Biden-Beben erschüttert. Der amtierende US-Präsident stellt sich nicht mehr zur Wiederwahl. Das Schreiben auf dem Kurznachrichtendienst X war der Prolog für den zweiten Akt des Politdramas: die parteiinterne «Krönung» von Vizepräsidentin Kamala Harris.

Granden der Demokratischen Partei wie Bill und Hillary Clinton würdigten Biden für sein Lebenswerk – und sprachen sich dafür aus, dass Vizepräsidentin Harris ins Duell mit Trump gehen soll. Eine prominente Ausnahme: Barack Obama.

Warme Worte für Biden – kein Kommentar zu Harris

In salbungsvollen Worten richtete sich der ehemalige Präsident (2009 bis 2017) an seinen «lieben Freund» und Vize Biden. Zur Personalie Harris schwieg er sich allerdings aus. Er sei «zuversichtlich, dass ein Prozess in Gang gesetzt wird, aus dem ein herausragender Kandidat hervorgeht.»

Laut einer repräsentativen Umfrage von Anfang Juli könnte solch eine «herausragende Kandidatin» seine Frau sein. Nur ihr trauen es die amerikanischen Wählerinnen und Wähler demnach zu, Trump zu schlagen. 50 Prozent der Befragten sehen in dem fiktiven Duell Michelle Obama vorne, nur 39 Prozent glauben an Trump.

Präsident Biden mit Vizepräsidentin Harris im Weissen Haus.
Legende: 55 Prozent der befragten Amerikanerinnen und Amerikaner habe eine positive Meinung von Michelle Obama. Zum Vergleich: Donald Trump kam Anfang Juli auf 42, Kamala Harris auf 40 und Biden auf 38 Prozent. Keystone/AP/Evan Vucci

Für manche ist Barack Obamas Schreiben ein Hoffnungsschimmer. Schweigt der 44. Präsident der USA zu Harris, weil sich seine Frau für das Rennen ums Weisse Haus in Stellung bringt? «Träumen darf man immer», sagt Thomas Jäger. Doch der Politologe an der Universität Köln lässt die Seifenblase gleich wieder platzen: «Sie hatte nie Ambitionen auf ein politisches Amt. Das hat sie mehrfach glaubhaft erklärt.»

Sehnsucht nach anderem Ton in der Politik

Für Jäger verkörpert Michelle Obama vor allem eines: die Hoffnung, dass das tief gespaltene Amerika wieder zu sich findet – über die ideologischen, ethnischen und kulturellen Gräben hinweg. «Das war schon Barack Obamas grosses Ziel, mit seiner Botschaft ‹Yes we can!›»

Eine solche Botschaft des Aufbruchs wünschten sich auch heute viele Menschen, die wieder in den Vereinigten Staaten von Amerika leben möchten. «In den USA gibt es viele, die die Spaltung leben. Aber es gibt sehr, sehr viele, die sie überwinden wollen.» Zudem habe Michelle Obama gerade in der afroamerikanischen und Latino-Community gewaltiges Mobilisierungspotenzial.

MIchelle Obama bei einer Rede 2023.
Legende: In ihrer Autobiographie «Becoming» beschreibt Michelle Obama, wie sie zur Politik steht: «Ich war nie ein Fan davon», schrieb sie 2018. «Und meine Erfahrungen der letzten zehn Jahre haben wenig dazu beigetragen, das zu ändern.» Keystone/AP/ TYLER PASCIAK LARIVIERE

Aber warum verzichtet Barack Obama darauf, sich demonstrativ hinter Kamala Harris zu stellen, wenn seine Frau keine politischen Ambitionen hegt? Eine Interpretation: Er will nicht als Königsmacher agieren und die demokratischen Prozesse achten.

Obama will nicht schuld sein, wenn Kamala Harris die Wahl verliert.
Autor: Thomas Jäger Professor für Internationale Politik und Aussenpolitik, Uni Köln

USA-Experte Jäger deutet Obamas Worte aber anders: Er will Kritik an ihm selbst vorgreifen. «Obama will nicht schuld sein, wenn Kamala Harris die Wahl verliert.» Klar ist: Das Manöver, Biden durch Harris zu ersetzen, dürfte parteiintern ein Nachspiel haben – zumindest, wenn Trump wieder ins Weisse Haus einziehen sollte.

US-Wahlen 2024

Box aufklappen Box zuklappen
Logo von SRF News zu den US-Wahlen 2024
Legende: SRF

Donald Trump kehrt als 47. Präsident ins Weisse Haus zurück. Alle News und Hintergründe dazu finden Sie hier: US-Wahlen 2024 .

Die «New York Times» schreibt gar von einem «Drama von shakespeareschem Ausmass», das sich in der Demokratischen Partei abgespielt haben soll – und identifiziert Obama als einen der «Strippenzieher» einer Kampagne gegen Bidens erneute Kandidatur.

«Biden fühlt sich verraten von seiner Partei und auch von Barack Obama», schliesst Jäger. Sein Verdikt: Indem Obama nun nicht öffentlich für Harris wirbt, wird er auch nicht zum Gesicht einer drohenden Niederlage.

Podcast News Plus

Die News und was dahinter steckt. Mit News Plus gehst du gut informiert in den Feierabend.

Weitere Audios und Podcasts

SRF 4 News, 22.07.2024, 17:15 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel