Noch letzte Woche hatte sich die Republikanische Partei an ihrem Parteitag siegessicher gezeigt. Dort wurde Donald Trump zum Präsidentschaftskandidaten nominiert, J. D. Vance soll sein Vize werden. Doch am Sonntag machte Joe Biden klar: Er tritt nicht mehr als Präsidentschaftskandidat an. Nun müssen sich die Republikaner neu orientieren. Wie das aussehen könnte, erklärt USA-Expertin Sarah Wagner.
SRF News: Die Republikanische Partei hat ihren Wahlkampf klar auf Biden ausgerichtet. Was heisst der kurzfristige Rückzug Bidens für die Partei?
Sarah Wagner: Die Republikaner müssen sich neu orientieren, der Wahlkampf hat sich drastisch geändert. Sie hatten sich in den letzten drei Wochen sehr siegessicher gefühlt: die verpatzte Debatte von Joe Biden, das missglückte Attentat auf Donald Trump, der reibungslose Parteitag. Laut Umfragen sah es für die Republikaner auch in den eng umkämpften Swing States gut aus. Nun gehen die Demokraten in die Offensive. Die Partei hat jetzt die komplette mediale und öffentliche Aufmerksamkeit.
Es ist nicht mehr lange bis zu den Wahlen im November. Kann die Republikanische Partei so kurz vor dem Stichtag die Strategie noch umstellen?
Ja, aber es wird keine komplett neue Strategie sein. Joe Biden war der Lieblingsgegner für die Republikaner. Er war aus deren Sicht ein schwacher Gegner. Aber sie werden wohl viele Angriffe gegen ihn auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin übertragen. Aktuell sieht es so aus, als ob das Kamala Harris wird. Die Herausforderung wird sein, dass das Argument von Bidens Alter wegfällt und die Demokraten aller Voraussicht nach eine jüngere, dynamische Kandidatin haben.
Sollte es bei den Demokraten nicht zu Chaos kommen, kann die Republikanische Partei wohl wenig von Bidens Rückzug profitieren.
Trump hat schon gesagt, Harris sei leichter zu schlagen als Biden. Wie schätzen Sie das ein?
Trump hat Harris anlässlich von Wahlkampfauftritten schon «verrückt» genannt. Die Republikaner sind sicher nicht so gelassen, wie er es darstellt. Harris hat kurz nach der Bekanntgabe von Bidens Unterstützung enorm viele Spenden erhalten. Sie ist erfahren, jung und dynamisch und hat in Beliebtheitsumfragen besser abgeschnitten als Biden.
Die Republikanische Partei war in den letzten Wochen ziemlich im Aufwind. Die Demokratische Partei hingegen steht wieder am Anfang. Wie viel nützt dieser Vorsprung den Republikanern?
Die Republikanische Partei muss sich nicht mit internen oder organisatorischen Fragen herumplagen. Aber Bidens Rücktritt und Harris’ mögliche Nominierung haben eine neue Dynamik bei den Demokraten entfacht. Das hat man teilweise auch als Befreiungsschlag wahrgenommen. Sollte sich die Partei schnell hinter Harris vereinen, könnte sich das Blatt wenden.
Was bedeutet die neue Dynamik bei den Demokraten für die Republikanische Partei im Wahlkampf?
Sollte es bei den Demokraten nicht zu Chaos kommen, kann die Republikanische Partei wohl wenig von Bidens Rückzug profitieren.
Das Gespräch führte Romana Kayser.