Bei ihrem ersten Auftritt in ihrer Wahlkampfzentrale in Wilmington betrat Kamala Harris die Bühne zu den Klängen von Beyoncés Song «Freedom». Offenbar hatte Beyoncé Harris nur wenige Minuten zuvor die Erlaubnis gegeben. Weshalb Harris den Song «Freedom» für ihren Wahlkampf ausgesucht hat und wieviel Einfluss ein Song überhaupt haben kann, ordnet SRF-Musikredaktor Gernot Jörgler ein.
Warum macht Kamala Harris Wahlkampf mit «Freedom» von Beyoncé?
Es ist sicher kein Zufall, dass Kamala Harris diesen Song ausgewählt hat. Und wenn sie ihn nicht selber ausgewählt hat, dann wurde sie gut beraten. Die amerikanische R&B-Sängerin Beyoncé ist nach Taylor Swift zurzeit die erfolgreichste Sängerin in den USA. Beyoncé verkörpert das Bild der starken, nicht-weissen Frau, die sich für Frauenrechte einsetzt. Hinzu kommt, dass der Rap-Teil des Songs von Kendrick Lamar stammt, ebenfalls ein nicht-weisser US-Superstar in der Musikszene. Der Song selber hat schon eine politische Vorgeschichte. Erschienen 2016 auf Beyoncés 6. Studioalbum «Lemonade», wurde er im gleichen Jahr bei den «Black Entertainment Television» Awards von Beyoncé live vorgetragen, wobei als Intro des Songs die berühmte «I Have A Dream»-Rede von Martin Luther King eingesetzt wurde. 2018 spielte Beyoncé den Song auch live in Johannesburg, anlässlich des 100. Geburtstags von Nelson Mandela. Und 2020, nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd, wurde das Lied als Protestsong der «Black Lives Matter»-Bewegung verwendet. Musikalisch betrachtet: Der Song ist kraftvoll und wird im Refrain zu einer Soul-Hymne. Der Track ist wie gemacht für einen Wahlkampfsong.
Wie viel Einfluss hat ein Song im Wahlkampf?
Ein Wahlkampfsong kann nur eine unterstützende, aber sicher nicht eine entscheidende Rolle spielen. Generell polarisiert ein Wahlkampfsong immer. Einerseits kann man damit Stimmen gewinnen, andererseits aber auch Wähler gegen sich aufbringen. Im Fall von Harris und Beyoncé wird es Wählerinnen und Wähler geben, die diesen Song aus der Black Music Kultur nicht goutieren werden, weil er ihnen «zu schwarz und zu feministisch» ist.
Was nützt die Musik an sich den Politikerinnen und Politikern?
Sie wollen damit vor allem junge Wählerinnen und Wähler gewinnen, die ihre Playlists auf dem Handy mit Populärmusik füllen. Musik erreicht die Menschen auf einer emotionalen Ebene und umgeht so den intellektuellen Bereich, der für politische Parolen reserviert ist. Mit Beyoncé hat Kamala Harris eine Sängerin gewählt, die als «Role Model» für die emanzipierte Frau steht. Viele Frauen identifizieren sich mit Beyoncé und sollen so automatisch die Kandidatin Kamala Harris assoziieren, die ebenfalls als kämpferische nicht-weisse Frau wahrgenommen werden will.
Was hat Beyoncé davon?
Imagemässig sitzt sie nun im selben Zug wie Kamala Harris. Ist deren Kampagne erfolgreich, färbt das auch positiv auf Beyoncé ab. So oder so wird der Song an Streamingzahlen zulegen, was Geld für die Songautoren bedeutet. Streng genommen bekommt das Songwriter-Team von Beyoncé auch Tantiemen, wenn der Song bei öffentlichen Anlässen gespielt wird. Ich kann mir aber vorstellen, dass Beyoncé auf diese Einnahmen verzichtet oder sie für wohltätige Zwecke spendet. Denn auf noch mehr US-Dollars ist Beyoncé nicht angewiesen.