Die Republikaner reiben sich die Hände: Das TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden lief nicht für die Demokraten. Biden verhaspelte sich, verlor den Faden, antwortete wirr.
Nach dem Schlagabtausch werden Stimmen laut, dass Biden seine Kandidatur zurückzieht. Und einmal mehr kommt die Frage auf, ob Biden (81 Jahre) und Trump (78 Jahre) nicht zu alt sind, um eines der weltpolitisch einflussreichsten Länder zu führen.
Ein TV-Duell sei aber nicht das gleiche, wie die tägliche, politische Arbeit, sagt der Altersforscher François Höpflinger. «Bei einer Fernseh-Diskussion muss man kurzfristig reagieren, steht unter Zeitdruck und muss oft auch lange stehen. Das kann die Leistungsfähigkeit einschränken. Es ist möglich, dass jemand so fragiler wirkt, als seine kognitive Leistung eigentlich ist.»
Die Angst vor dem Statusverlust
Doch warum kandidieren Menschen in diesem Alter noch für so einen hohen Posten? Ein Grund ist laut Höpflinger die Angst vor dem Statusverlust. «Das lässt sich vor allem bei Männern beobachten. Hat man lange Macht ausgeübt, hat man das Gefühl, man sei unersetzlich.»
Auch die Schweizer Regierung glänzt mit einem eher hohen Durchschnittsalter. Und eine Amtszeitbeschränkung gibt es – im Gegensatz zu den USA – in der Schweiz nicht. Doch hier falle das Alter Einzelner etwas weniger ins Gewicht, so Höpflinger, weil unser System weniger auf Einzelpersonen ausgerichtet sei. «Bei einem System, das sehr auf eine Person ausgerichtet ist, ist das Alter hingegen ein wichtigerer Faktor.»
Rücktritt braucht Vorbereitung
Die politische Bühne rechtzeitig verlassen hat nach eigener Ansicht Alt Bundesrat Adolf Ogi. «Es braucht gute Freunde und Familie, die einem sagen, dass es an der Zeit ist, aufzuhören.» Seine Frau habe gesagt: «Du bist müde, die nächste Phase ist Krankheit. Und mein Sohn hat gesagt: Vater, tritt zurück.» Er habe das zunächst nicht machen wollen. Heute ist er ihnen dankbar.
Doch ein Rücktritt erfordere Vorbereitung, sagt Ogi. Man müsse einen Weg finden, mit all den wegfallenden Privilegien zurechtzukommen, ohne in ein Loch zu fallen. «Plötzlich hast du keinen Chauffeur, keine Sekretärin und keine Mitarbeiter mehr. Damit muss man fertig werden, bevor man geht.»
Und ein Rücktritt erfordere auch Ehrlichkeit. Jeder müsse ehrlich mit sich selbst sein und sich fragen, ob er in seiner Situation dem Land noch dienen könne. «Es gibt viele, die zu spät gehen», so Ogi.
Wann sind die Ziele erreicht?
Das bestätigt auch Alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz. Einen Grund dafür sieht er darin, dass sich viele Menschen keine Gedanken über ihre Ziele machen. «Man vergisst manchmal: Die Politik ist ewig. Sie geht immer weiter. Aber der Mensch, der ist nicht ewig. Deshalb muss man irgendwann wissen, wenn man seine Ziele nicht mehr erreichen kann.»
Merz, der nur 10 Tage älter ist als Joe Biden, habe seine Ziele nach sieben Jahren erreicht und fand: «Jetzt trete ich zurück». Das rät der Alt Bundesrat übrigens auch den beiden Präsidentschaftskandidaten in den USA: «Von aussen hat man den Eindruck, dass weder Trump noch Biden dieses Amt antreten sollten.»
Eine Befreiung
Einer, der weiss, wie es ist, wenn man aus dem Amt gedrängt wird, ist der ehemalige Justizminister Christoph Blocher. Er wurde bei der Gesamterneuerungswahl des Bundesrates 2007 nicht wiedergewählt.
«Das war zunächst ein Schlag.» Er habe einen Plan gehabt für die nächsten Jahre, was er umsetzen möchte, das wurde abgebrochen. «Dann entsteht ein Loch. Aber es war auch eine Befreiung, das Amt habe ich nicht so gerne gemacht.»