Das Beste, was J.D. Vance und Tim Walz erreichen konnten, ist ihrem Chef, beziehungsweise der Chefin nicht zu schaden, sondern Schwung zu geben – und im besten Fall einige Wählerinnen und Wähler mehr zu mobilisieren.
Auf ihre Weise haben das beide Vizepräsidentschaftskandidaten gemacht – wenn auch J.D. Vance eloquenter. Dabei war es eine überraschend anständige Debatte zwischen zwei, die fast nett zueinander waren, Höflichkeiten austauschten. In der Ära Trump ein ungewohntes Seh- und Hörerlebnis – und erfreulich, eine traditionelle Diskussion um Themen zu sehen.
Vance wirkte umgänglich und konstruktiv
Das ist auch ein Sieg für J.D. Vance. Seine Beliebtheitswerte sind deutlich tiefer als die von Walz, er kann gemein und unsympathisch wirken, online aggressive Kommentare verfassen für die MAGA-Basis (Make America Great Again: das Motto von Trumps Kampagne). Doch an diesem Abend wirkte er umgänglich, präsidial, konstruktiv. Anders als Trump fokussierte er auf Inhalte. Abgesehen von dem Moment, wo er über illegale Einwanderer sprach, die Amerikanern den Wohnraum wegnehmen, wirkte er nicht aggressiv.
Sein stärkstes Argument ist eines, dass man immer wieder hört von Menschen in den USA: Als Donald Trump Präsident war, war die Teuerung niedriger und das Leben erschwinglich, es gab keine Kriege. Das betonte Vance immer wieder – und es ist auch der Grund, warum Trump wieder Präsident werden könnte.
Zu all den Vorschlägen von Harris und Walz sagte Vance: Warum hat Harris dies nicht schon in den 3.5 Jahren gemacht, in denen sie Vizepräsidentin ist? Er stellte sie als Fortführung der Biden-Regierung dar, Trump aber als den Kandidaten, der Veränderung bringt. Für die Republikaner ist klar: Vance hat die Debatte gewonnen.
Walz argumentierte pragmatisch und überzeugend
Tim Walz wiederum wirkte am Anfang nervös und sprach weniger geschliffen. Er argumentierte jedoch insgesamt pragmatisch und überzeugend, punktet beim Thema Klima, Abtreibung – und durchaus auch bei Themen wie Wohnen oder Einwanderung. Wer bisher nicht alles verfolgt hat zur Wahl, erfuhr einiges über die Pläne von Harris und Walz.
Seine wichtigste Rolle ist, dass er ein bodenständiger, zugänglicher, weisser Mann ist – jene beruhigt, die fürchten, mit Kamala Harris eine abgehobene Linke aus Kalifornien zu kriegen. Und das ist ihm gelungen. Auch wenn er stammelte, als ihn die Moderatorin auf eine inzwischen widerlegte Aussage von ihm ansprach, dass er während der Tiananmen-Proteste in Hongkong gewesen sei. Er habe sich versprochen, sagte er, er sei manchmal trottelig. Einen starken Moment hatte Walz, als er Vance fragte, ob Trump die letzte Wahl verloren habe, und ob Vance sich wie Pence gegen Trump wehren würde. Vance blieb die Antwort schuldig.
Vizepräsidentschaftsdebatten beeinflussen eine Wahl normalerweise nicht massgeblich. Die Menschen wählen die Hauptperson, den Präsidenten oder die Präsidentin. Doch diesmal gab es nur eine Debatte Harris-Trump, und die Vizedebatte ist möglicherweise der letzte grosse Auftritt vor der Wahl. Walz hatte mehr zu gewinnen und zu verlieren, er hat weder noch getan. Vance hat die Erwartungen mehr als erfüllt. Keiner von beiden hat Schaden angerichtet. Die Präsidentschaftswahl bleibt ein knappes Rennen.