So erklärt Biden seinen Rückzug: «Nichts darf der Rettung der Demokratie im Weg stehen, auch nicht persönliche Ambitionen. Darum habe ich mich entschieden, den Stab an eine neue Generation weiterzugeben», sagte Biden, der sich aus dem Oval Office an die Bevölkerung richtete. Es brauche «neue Stimmen, frische Stimmen, ja, jüngere Stimmen», so der 81-Jährige weiter.
Lobende Worte für Harris: Der Demokrat skizzierte in der bedeutenden Ansprache, die etwas von einer Abschiedsrede hatte, sein politisches Vermächtnis und pries seine Stellvertreterin Kamala Harris als Ersatzkandidatin an: «Sie ist erfahren. Sie ist zäh. Sie ist fähig.» Daher wäre sie eine gute Anführerin für das Land. Biden hatte bereits unmittelbar nach seinem Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen am Sonntag verkündet, Harris als Kandidatin zu unterstützen.
Biden über sein Vermächtnis: In seiner Rede blickte Biden auch auf ein halbes Jahrhundert als Politiker zurück. «Es ist das Privileg meines Lebens, dieser Nation seit über 50 Jahren zu dienen», sagte er. Nirgendwo sonst auf der Welt könne ein Kind mit einem Stotter-Problem aus bescheidenen Verhältnissen zum höchsten Amt im Staat aufrücken. «Hier bin ich nun. Das ist es, was Amerika so besonders macht», sagte Biden.
«Wir sind eine Nation der Verheissungen und Möglichkeiten, der Träumer und Macher, der gewöhnlichen Amerikaner, die aussergewöhnliche Dinge tun», lobte Biden sein Land und dessen Demokratie. «In Amerika herrschen keine Könige oder Diktatoren. Das Volk regiert.» Die Nation stehe vor einer entscheidenden Wahl zwischen Hoffnung und Hass, sagte Biden auch im Hinblick auf die Wahlen im November.
Ein schwerer Gang: Die Rede dürfte dem Vollblutpolitiker Biden nicht leicht gefallen sein. «Ich glaube, dass meine Leistungen als Präsident, meine Führungsrolle in der Welt und meine Vision für die Zukunft Amerikas eine zweite Amtszeit verdient haben», gab Biden unverblümt zu. Doch der Druck auf Biden war schliesslich so gross, dass er am Wochenende die Reissleine zog und sich hinter seine Stellvertreterin Harris als Ersatzkandidaten stellte.
Das hat Biden noch vor: Biden machte deutlich, dass er für die verbleibenden sechs Monate im Amt noch grosse Pläne habe. Er wolle weiter gegen Waffengewalt kämpfen, forderte eine Reform des Supreme Court und bekräftigte, sich darauf konzentrieren zu wollen, das Verteidigungsbündnis Nato stärker und geeinter zu machen.
Reden zur besten Sendezeit aus dem Oval Office sind krisenhaften Momenten und grossen Zäsuren im Land vorbehalten. Es war die vierte Ansprache dieser Art in Bidens Amtszeit seit Januar 2021. Zuletzt hatte er sich zehn Tage zuvor nach dem Attentat auf seinen Amtsvorgänger und langjährigen politischen Kontrahenten Trump auf diese Weise an die Nation gewandt.