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Ausschaffungspolitik von Trump «Viele haben Angst einzukaufen oder zum Arzt zu gehen»

US-Präsident Donald Trump will Menschen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis ausschaffen. Betroffene leben in grosser Sorge um ihre Zukunft in den USA.

In einem Vorort von Baltimore unterrichtet Jesús Pérez eine zweite Primarschulklasse. Seit Donald Trump im Amt ist, hat sich sein Leben verändert. Es vergehe kein Tag, an dem er nicht in Angst aufwache, sagt der 32-Jährige. «Die Regierung hat alle meine Daten. Sie wissen, wo ich wohne, alles. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bete, dass ich sicher zur Arbeit und wieder nach Hause komme.» 

Pérez kam als Fünfjähriger mit seinen Eltern illegal in die USA und hat keine gültigen Papiere. Wie alle Kinder in den USA konnte er trotzdem zur Schule gehen und später auch studieren. Schon früh setzte er sich dafür ein, dass Menschen wie er die Möglichkeit bekommen, ihren Aufenthaltsstatus zu legalisieren und eines Tages US-Bürger zu werden.

Obama gab Hoffnung

Als Präsident Barack Obama es Menschen wie ihm ermöglichte, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, schien ein grosser Schritt in diese Richtung getan. Pérez erinnert sich, als wäre es gestern gewesen, an den Tag im Juni 2012, an dem Obama das entsprechende Dekret unterzeichnete, das sogenannte DACA, das für «Deferred Action for Childhood Arrivals» steht.

Person mit Brille und Button vor Ziegelmauer und Pflanzen.
Legende: Jesús Pérez lebt seit 27 Jahren in den USA. SRF/ Barbara Colpi

Jesús Pérez war damals 20 Jahre alt und gerade dabei, sich auf eine Demonstration vorzubereiten, als einer der Organisatoren anrief und ihm mitteilte, dass es eine Planänderung gegeben habe: «‹Was ist denn jetzt los?›, fragte ich. Und er sagte: ‹Wir fahren nach Washington zum Weissen Haus.›» Dann sah er im Fernsehen in einer Morgenshow auf Spanisch die Eilmeldung, dass Obama ein Dekret unterzeichnen werde. «Ich verstand immer noch nicht ganz, was passiert war. Aber wir fuhren zum Weissen Haus. Und ich werde die Emotionen nie vergessen, als wir davor standen, es war so eine Erleichterung.»

Vorkehrungen an der Schule

Doch obwohl Pérez nun arbeiten kann, hat er nicht die nötigen Papiere, um einen permanenten Aufenthaltsstatus zu erlangen oder Amerikaner zu werden. Er muss nun wieder Angst haben. Schon in seiner ersten Amtszeit wollte Donald Trump den DACA-Status aufheben. Und nun fürchtet Pérez, dass auch er ausgeschafft werden könnte. Er habe seine Lehrerkollegen und -kolleginnen informieren müssen. «Zum Glück habe ich tolle Kollegen, die mich unterstützen. Sie sagen: ‹Jesús, wenn du oder deine Familie irgendetwas brauchen, stehen wir hinter dir. Du weisst, wir lassen nicht zu, dass sie dich oder eines deiner Familienmitglieder mitnehmen.›»

Zwei Personen gehen Hand in Hand auf einem Gehweg.
Legende: Viele Migrantinnen und Migranten in den USA hätten Angst, das Haus zu verlassen, sagt Jesús Pérez. Reuters/ Vincent Alban

Jesús Pérez hat auch dazu beigetragen, dass an der Schule Vorkehrungen getroffen wurden. Nicht nur, um sich selbst zu schützen, sondern auch die Kinder, die wie er einst als «Sans-Papiers» die Schule besuchen. Dafür habe er viel Aufklärungsarbeit geleistet: «Wenn die Migrationsbehörden jemanden suchen, brauchen sie einen richterlichen Haftbefehl. Sie können nicht einfach in die Schule kommen und sagen: ‹Oh, ich bin wegen dieser Person hier.› Das weiss auch das Sicherheitspersonal am Empfang, wo sich alle anmelden müssen.»

Glaube gibt Halt

Die Sorge bleibt trotzdem, dass die Migrationsbehörde jemanden vor der Schule abpasst. In der spanischsprachigen Gemeinschaft sei die Verunsicherung gross, sagt Perez. «Es gibt sehr viel Angst, selbst einzukaufen oder zum Arzt zu gehen.» Schätzungen zufolge leben rund elf Millionen Menschen ohne gültige Papiere in den USA. Der Plan, sie alle abzuschieben, scheint unmöglich, doch die Panik davor macht sich trotzdem breit.

Vielen gibt der Glaube Halt. Auch Jesús Perez. Er ist dem lokalen Pfarrer Ako Walker sehr dankbar, weil dieser unkompliziert und schnell virtuelle Workshops organisiert habe, in denen Migrantinnen und Migranten über ihre Rechte aufgeklärt werden. «Er hat bemerkenswerte Arbeit geleistet, und diese Online-Workshops waren wichtig, denn wir wollen nicht, dass von Abschiebung bedrohte Menschen in grossen Gruppen zusammenkommen. Pater Ako kennt unsere Geschichten, und er ist grossartig», sagt Pérez.  

Angst vor dem Kirchgang

Ako Walker leitet die Pfarrei «Sagrado Corazón de Jesús» in Baltimore. Die Kirche ist ein imposantes Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert und das Herz der grössten spanischsprachigen katholischen Pfarrei in Baltimore. Zur Pfarrei gehören rund 5000 Mitglieder aus Mexiko, Zentral- und Südamerika.

Pfarrer Ako Walker bietet nicht nur virtuelle Workshops an, sondern auch die Messe wird live gestreamt. «Ich ermutige alle, in die Kirche zu kommen, doch manche haben einfach zu viel Angst, ihr Haus zu verlassen», sagt er. Pfarrer Ako Walter hat zuvor schon in der Bronx in New York mit Migrantinnen und Migranten gearbeitet und stammt selbst aus Trinidad und Tobago – eine Insel im Karibischen Meer.

Bei Kriminellen hat die Barmherzigkeit Grenzen

Er hat aber auch eine kritische Haltung, und seine Barmherzigkeit hat Grenzen, wenn es um Kriminelle geht: «Wer sich für Migranten einsetzt, ist nicht gegen eine Regulierung der Grenzen. Die Regierung hat eine fundamentale Verantwortung, Kriminelle fernzuhalten. Was wir fordern, ist, dass nicht alle in einen Topf geworfen werden. Wir kennen Situationen, in denen Menschen abgeschoben und kurz darauf im Herkunftsland getötet wurden. Wir fordern Gerechtigkeit.»

Was Pfarrer Ako Walker auf keinen Fall will, ist, dass seine Messe gestürmt wird von der Migrationsbehörde. Inzwischen hat ein Bundesrichter angeordnet, dass sich diese von allen religiösen Einrichtungen fernzuhalten hat. Doch die Angst der Menschen, die geht nicht weg.  

Echo der Zeit, 03.03.2025, 18 Uhr

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