Bruder Guy Consolmagno arbeitet im Auftrag des Papstes – aber nicht in einer Kirche oder Gemeinde, sondern als Astronom und Direktor der Vatikanischen Sternwarte. Die Specola Vaticana ist eine der ältesten Sternwarten weltweit. Der Jesuit erklärt, wie Religion und Wissenschaft zusammenpassen.
SRF News: Bruder Guy, warum betreibt der Vatikan eigentlich eine Sternwarte?
Bruder Guy Consolmagno: Es gibt immer noch diese Vorstellung, dass Kirche und Wissenschaft in einem Gegensatz zueinanderstehen, aber das stimmt nicht. Es gibt so viele brillante Wissenschaftler, die gläubige Katholiken oder Mitglieder anderer Religionen sind, und die Kirche hat so viel zur Förderung der Wissenschaft beigetragen.
Aber Ende des 19. Jahrhunderts entstand der Mythos, dass die Wissenschaft die Religion ersetzen würde, um uns alle Antworten auf unsere Fragen zu geben. Was dann aber nicht wirklich der Fall war. Die Wissenschaft gibt uns nur bessere Fragen. Dessen ungeachtet: Zu dieser Zeit hielt Papst Leo XIII. (1810–1903) eine nationale Sternwarte für eine grossartige Idee, um der Welt zu zeigen, dass die Kirche die moderne Wissenschaft unterstützt.
Zu Beginn war die Specola Vaticana noch im Vatikan untergebracht, 1930 wurde sie dann nach Castel Gandolfo verlegt, in die ehemalige Sommerresidenz des Papstes, und heute wird teils sogar im US-amerikanischen Arizona geforscht. Warum das?
Was sich geändert hat, ist die Helligkeit des Himmels. Es gab eine Zeit, da war der Himmel über der Stadt Rom dunkel genug. Da konnte man gut Astronomie betreiben. Im Jahr 1929 war das dann aber vorbei. Es war das Jahr, in dem Italien den Vatikan und den Staat Vatikanstadt als unabhängige Nation anerkannte. Und als Folge davon wurde dieses Gebiet dem Papsttum zurückgegeben. Ab 1929 haben wir dann angefangen, die Teleskope nach Castel Gandolfo zu verlegen. Damals war es hier noch viel dunkler als heute. 1985 war die Himmelshelligkeit dann sogar hier in Castel Gandolfo zu stark.
Woher kommt Ihre Faszination fürs Universum?
Ich war ein Babyboomer-Kind und wurde in den frühen 1950er-Jahren geboren. In den Kindergarten kam ich in dem Jahr, als Sputnik gestartet wurde.
Das Science-Fiction-Kind in mir würde natürlich gerne auf anderes Leben stossen, selbst wenn es nur Mikroben wären.
Die Highschool beendete ich in dem Jahr, als erstmals Menschen auf dem Mond landeten. Wie konnte man da nicht fasziniert und verrückt sein nach dem Weltraum?
Sie sagten einst, die Erforschung der Planeten mache Ihnen am meisten Spass, und Sie haben auch in Planetologie doktoriert. Welcher ist denn Ihr Lieblingsplanet?
Es ist, als würde man Eltern fragen, welches ihr Lieblingskind sei. Man liebt sie alle, und zwar alle auf unterschiedliche Weise. Ich muss sagen, dass ich eine gewisse Vorliebe für die Monde des Jupiters habe, denn das war das Thema meiner ersten wissenschaftlichen Arbeit. Darüber habe ich dann auch meine Magisterarbeit geschrieben. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal alt genug werden würde, um mitzuerleben, wie Raumschiffe zu diesen Monden starten.
Glauben Sie, dass es da draussen noch anderes Leben gibt?
Nun, um meinen Freund Carl Sagan (amerikanischer Astronom und Astrophysiker) zu zitieren: «Wenn wir das einzige Leben im Universum sind, würde es sich wie eine Platzverschwendung anfühlen.» Das Science-Fiction-Kind in mir würde natürlich gerne auf anderes Leben stossen, selbst wenn es nur Mikroben wären.
Das Gespräch führte Simona Caminada.