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Verbot von «Childfree» Der Kreml macht die Kinderfrage zur Staatsangelegenheit

Für viele ist es eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben: Will ich Kinder oder nicht? In der Schweiz ist das Privatsache – in Russland redet der Staat in dieser Frage immer mehr mit.

Darum geht es: Geht es nach der russischen Regierung, sollten Frauen unbedingt Kinder kriegen. Menschen, die keinen Kinderwunsch haben, sieht der Kreml als Gefahr. Darum solle die «Propaganda der Childfree-Bewegung» verboten werden, wie der Kreml am Montag mitgeteilt hat.

Das steckt hinter «Childfree»: Kreml-treue Politikerinnen und Politiker sprechen von einer Bewegung namens «Childfree». Deren Mitglieder würden sich aggressiv dafür einsetzen, dass Paare sich gegen Kinder entscheiden, so die Behauptung. Tatsächlich gebe es eine solche Bewegung aber gar nicht, erklärt Russland-Korrespondenten Calum MacKenzie. «Es gibt wie bei uns Leute, die sich entscheiden, keine Kinder zu wollen und dies in Internetforen diskutieren. Aus dieser kleinen Gruppe macht die russische Politik in ihrer Rhetorik eine Art schädliche Bewegung aus dem Westen, die mit russischen Werten nicht vereinbar sei.»

Frau schiebt Kinderwagen im Winter.
Legende: In Russland sinkt die Zahl der Geburten schon seit längerem. Der Kreml verschärft nun den Ton – und versucht, Kinderlose noch stärker zu stigmatisieren. REUTERS/Maxim Shemetov

So soll das Verbot umgesetzt werden: Noch ist unklar, wie das «Childfree-Propagandaverbot» in der Realität konkret aussehen könnte. Ein Hinweis darauf liefert das Verbot von sogenannter «LGBT-Propaganda», das es schon länger gibt. Gemäss dieses Gesetzes ist es illegal, in der Öffentlichkeit das Leben und die Rechte von queeren Menschen zu thematisieren. Beim «Childfree-Verbot» könnte es ebenfalls darauf hinauslaufen, dass es in der Öffentlichkeit weitgehend unmöglich wird, zu sagen, dass man bewusst auf Kinder verzichtet.

Darum will der Kreml in der Kinderfrage mitreden: Russland kämpft schon länger mit einem Bevölkerungsschwund. Als Folge davon fehlen in fast allen Sektoren Arbeitskräfte – auch in der Kriegswirtschaft. Die Regierung versucht also, die Geburtenrate zu steigern.

Weitere Massnahmen gegen den Geburtenrückgang: Die Behörden versuchen, Anreize zum Kinderkriegen zu schaffen: Muttergeld und andere Subventionen sind erhöht worden und die Idee vom Kinderkriegen als grosses Glück wird verbreitet. Gleichzeitig versuche die Regierung, Menschen ohne Kinder als «unnatürlich» oder «unpatriotisch» zu stigmatisieren, so Calum MacKenzie. «Der Kreml hat zwar betont, man müsse vermeiden, dass Informationen zum Entscheid gegen ein Kind im Falle einer Vergewaltigung oder zu medizinisch bedingter Kinderlosigkeit auch unter das Verbot fallen. Doch Ausnahmen bei solchen Extremfällen verstärken nur das Stigma gegen Leute, die freiwillig auf Kinder verzichten.»

Gibt es in Russland bald ein Abtreibungsverbot?

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In Russland werden die Abtreibungsrechte immer mehr eingeschränkt. Dennoch sei das Verbot von «Childfree» allein noch kein klares Indiz für ein baldiges totales Abtreibungsverbot, sagt Russland-Korrespondenten Calum MacKenzie von Radio SRF. «Laut WHO gibt es in Russland pro 1000 Geburten mehr Abtreibungen als in fast jedem anderen europäischen Land. Doch es gibt eine zunehmende Bewegung gegen Abtreibungen, die oft von staatsnahen Institutionen wie der orthodoxen Kirche ausgeht.»

Der Zugang zu Abtreibungen ist in Russland in den vergangenen Jahren eingeschränkt worden. Das Gesundheitsministerium hat den Vertrieb gewisser Abtreibungspillen begrenzt, einige Regionen haben Abtreibungen in Privatkliniken verboten. «Das bedeutet, dass Frauen nur noch in staatlichen Kliniken abtreiben können, und dort wird ihnen teilweise die Abtreibung verwehrt oder ausgeredet», so MacKenzie. Ein Abtreibungsverbot stehe in Russland derzeit nicht im Raum, aber es gebe Befürchtungen, dass die langfristige Entwicklung in diese Richtung gehen könnte.

So reagiert die Bevölkerung: «Unter jüngeren Frauen wird das Thema diskutiert, viele spüren, dass ihr Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper immer mehr eingeschränkt wird», schildert Calum MacKenzie seine Eindrücke aus Moskau. Zu «Childfree» hätten nur wenige Leute eine Meinung, weil sie mit dieser nicht-existenten Bewegung nie in Kontakt gekommen seien. «Doch es gibt besonders ältere Menschen, die daran glauben. Schon in der Sowjetunion gab es die Idee von der Pflicht der Frau, Mutter zu werden. Das scheint der Kreml jetzt wieder einführen zu wollen.»

SRF 4 News, 25.09.2024, 08:20 Uhr ; 

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