Darum geht es: Geht es nach der russischen Regierung, sollten Frauen unbedingt Kinder kriegen. Menschen, die keinen Kinderwunsch haben, sieht der Kreml als Gefahr. Darum solle die «Propaganda der Childfree-Bewegung» verboten werden, wie der Kreml am Montag mitgeteilt hat.
Das steckt hinter «Childfree»: Kreml-treue Politikerinnen und Politiker sprechen von einer Bewegung namens «Childfree». Deren Mitglieder würden sich aggressiv dafür einsetzen, dass Paare sich gegen Kinder entscheiden, so die Behauptung. Tatsächlich gebe es eine solche Bewegung aber gar nicht, erklärt Russland-Korrespondenten Calum MacKenzie. «Es gibt wie bei uns Leute, die sich entscheiden, keine Kinder zu wollen und dies in Internetforen diskutieren. Aus dieser kleinen Gruppe macht die russische Politik in ihrer Rhetorik eine Art schädliche Bewegung aus dem Westen, die mit russischen Werten nicht vereinbar sei.»
So soll das Verbot umgesetzt werden: Noch ist unklar, wie das «Childfree-Propagandaverbot» in der Realität konkret aussehen könnte. Ein Hinweis darauf liefert das Verbot von sogenannter «LGBT-Propaganda», das es schon länger gibt. Gemäss dieses Gesetzes ist es illegal, in der Öffentlichkeit das Leben und die Rechte von queeren Menschen zu thematisieren. Beim «Childfree-Verbot» könnte es ebenfalls darauf hinauslaufen, dass es in der Öffentlichkeit weitgehend unmöglich wird, zu sagen, dass man bewusst auf Kinder verzichtet.
Darum will der Kreml in der Kinderfrage mitreden: Russland kämpft schon länger mit einem Bevölkerungsschwund. Als Folge davon fehlen in fast allen Sektoren Arbeitskräfte – auch in der Kriegswirtschaft. Die Regierung versucht also, die Geburtenrate zu steigern.
Weitere Massnahmen gegen den Geburtenrückgang: Die Behörden versuchen, Anreize zum Kinderkriegen zu schaffen: Muttergeld und andere Subventionen sind erhöht worden und die Idee vom Kinderkriegen als grosses Glück wird verbreitet. Gleichzeitig versuche die Regierung, Menschen ohne Kinder als «unnatürlich» oder «unpatriotisch» zu stigmatisieren, so Calum MacKenzie. «Der Kreml hat zwar betont, man müsse vermeiden, dass Informationen zum Entscheid gegen ein Kind im Falle einer Vergewaltigung oder zu medizinisch bedingter Kinderlosigkeit auch unter das Verbot fallen. Doch Ausnahmen bei solchen Extremfällen verstärken nur das Stigma gegen Leute, die freiwillig auf Kinder verzichten.»
So reagiert die Bevölkerung: «Unter jüngeren Frauen wird das Thema diskutiert, viele spüren, dass ihr Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper immer mehr eingeschränkt wird», schildert Calum MacKenzie seine Eindrücke aus Moskau. Zu «Childfree» hätten nur wenige Leute eine Meinung, weil sie mit dieser nicht-existenten Bewegung nie in Kontakt gekommen seien. «Doch es gibt besonders ältere Menschen, die daran glauben. Schon in der Sowjetunion gab es die Idee von der Pflicht der Frau, Mutter zu werden. Das scheint der Kreml jetzt wieder einführen zu wollen.»