Eskalation zwischen Serbien und Kosovo: Die serbische Premierministerin Ana Brnabic hat kürzlich gesagt, Serbien stehe am Rande eines Konflikts mit Kosovo. Die serbische Armee hat ihren Aufmarsch an der Grenze zu Kosovo verstärkt und in höchste Kampfbereitschaft versetzt. Wie es so weit kommen konnte, erklärt die Journalistin Adelheid Wölfl.
SRF News: Wie ist die aktuelle Situation an der serbischen Grenze im Norden des Kosovo?
Adelheid Wölfl: Dort befinden sich serbische Truppen, und auf der anderen Seite befinden sich Truppen der Nato, die Kosovo Forces. Die sind beim Grenzübergang, weil es in den letzten Wochen immer wieder zu Gewalt kam und weil militante Gruppen, paramilitärische radikale Hooligans, versucht haben, aus Serbien in den Kosovo hineinzugehen und dort Unruhen anzustiften. Das wurde von der Kfor verhindert.
Man kann davon ausgehen, dass Russland ein Interesse hat, jenseits vom Krieg gegen die Ukraine, der Nato, der EU und den USA Probleme zu machen.
Warum nehmen die Spannungen gerade jetzt zu?
Es gab seit dem Sommer immer wieder Konflikte. Da ging es um Autonummernschilder und um andere technische Details. Der serbische Präsident Aleksander Vucic hat diese kleinen Streitereien genutzt, um eine Eskalation zu inszenieren. Man kann vermuten, dass das mit dem Kreml koordiniert ist.
Serbien hat nämlich mit dem Kreml ein Koordinationsabkommen zu aussenpolitischen Fragen abgeschlossen. RT, also der russische Propagandasender Russia Today, hat eine Dependance in Serbien eröffnet. Der höchste Sicherheitsberater des Kreml ist immer wieder in Serbien. Man kann davon ausgehen, dass Russland ein Interesse hat, jenseits vom Krieg gegen die Ukraine, der Nato, der EU und den USA Probleme zu machen.
Wie gefährlich ist die Situation?
Wenn die serbische Premierministerin Ana Brnabic warnt, dass man am Rande eines Konflikts stehen würde, dann erzeugt sie damit Angst. Wenn dieses Angstlevel immer weiter in die Höhe geht, kann es leichter zu Gewalt kommen. Und wenn Leute Angst haben, sind sie leichter zu Kurzschlusshandlungen zu bewegen.
Es gab in den letzten Wochen immer wieder Gewalt, nicht nur gegen Journalisten im Norden des Kosovos, sondern auch gegen kosovarische Polizisten und sogar Beamte der Eulex. Das ist die Rechtsstaatsmission der EU. Das heisst, die Gewalt kann leicht überschwappen.
Serbien ist ein Beitrittskandidat für die EU. Was bedeuten diese Spannungen für Europa?
Die EU, aber auch Frankreich und Deutschland, schicken immer wieder Emissäre sowohl nach Serbien als auch nach Kosovo, um die Situation auf diplomatischem Weg zu entspannen.
Allerdings ist das bislang nicht gelungen, weil Serbien gar kein Interesse daran hat. Insofern denkt man in Brüssel und in Berlin um und sieht auch den Einfluss von Russland. Man erkennt, dass das Ganze kein Nachbarschaftsstreit ist, sondern ein in einem geopolitischen Kontext stehender Konflikt.
Die EU erkennt, dass das Ganze kein Nachbarschaftsstreit ist, sondern ein in einem geopolitischen Kontext stehender Konflikt.
Man muss zur Kenntnis nehmen, dass da möglicherweise viel mehr Bemühungen und vielleicht ein Politikwechsel vonnöten sind. In den vergangenen Jahren hat man versucht, auch gegenüber dem serbischen Präsidenten Vucic eine Appeasement-Politik – eine Beschwichtigungspolitik – zu machen, so wie gegenüber Russland zuvor. Das hat keine Wirkung gezeigt. Vielleicht wären klare Worte oder Taten angebracht.
Man darf nicht vergessen, dass mitunter serbische Spitzenpolitiker auch europäische Beamte angreifen. Hier sollte man klar sagen, dass das nicht geht. Serbien bekommt viel Geld von der EU – und es gibt auch deutsche Investoren dort. Serbien hat deshalb ein Interesse, ein gutes Auskommen mit Deutschland und der EU zu haben.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.