Mit dem vollzogenen Brexit kann sich Grossbritannien völlig unabhängig von der EU politisch und diplomatisch positionieren. Und das tut London. Das zeigt sich auch darin, dass die britische Börse schon bald wieder mit Schweizer Aktien handeln will, während die EU der Schweiz die Börsenäquivalenz weiterhin verweigert. Neu sind auch die britischen Einwanderungsbestimmungen ausserhalb der Personenfreizügigkeit. Wer arbeiten will, muss ein Punktesystem erfüllen, das gute Qualifikationen, aber auch den Bedarf nach Berufsfachleuten berücksichtigt.
SRF News: Wie ist die Einführung des neuen Einwanderungssystems angelaufen?
Jane Owen: Es ist noch ein bisschen früh für eine Einschätzung. Aber es ist nicht alles ganz neu. Wir haben über Jahrzehnte hinweg ein effizientes Einwanderungssystem betrieben – mit jährlich vier Millionen Visumsanträgen. Wir gehen davon aus, dass wir die zusätzlichen Anträge mit dem bisherigen System bewältigen können.
Wer garantiert, dass Schweizer Fachkenntnisse durch die britische Migrationsbehörde richtig bewertet werden. Etwa bezüglich Berufslehre?
Wie zuvor ziehen wir die Qualifikationen aus der ganzen Welt in Betracht. Also nicht nur Universitätsabschlüsse, sondern auch Berufslehren. Schweizerinnen und Schweizer müssen sich keine Sorgen darüber machen, dass ihre Qualifikationen nicht akzeptiert werden.
Schweizerinnen und Schweizer müssen sich keine Sorgen darüber machen, dass ihre Qualifikationen nicht akzeptiert werden.
Schweizer Aktien sollen an der Londoner Börse im Februar wieder gehandelt werden dürfen. Sind Sie in die Verhandlungen involviert?
Ich freue mich sehr, dass ich involviert bin und dass wir jetzt sieben bilaterale Abkommen mit der Schweiz unterzeichnet haben. Sie stellen sicher, dass unsere hervorragenden Beziehungen auch künftig bestehen. Bezüglich Börse war Grossbritannien immer der Meinung, dass die Schweiz die Voraussetzungen für die Börsenäquivalenz erfüllt und dass technische Entscheidungen nicht politisiert werden sollten.
Wir haben im Bereich der Finanzdienstleistungen sehr eng mit den Schweizer Behörden zusammengearbeitet, um die Marktzugänge zu sichern. Zurzeit laufen Gespräche über die gegenseitige Anerkennung von finanziellen Regelungen. Für zwei der grössten Finanzzentren Europas ist das wichtig für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents.
Wenn Grossbritannien die Börsenäquivalenz für Schweizer Aktien wieder einführt, ist das eine klare Abkehr von der EU-Politik. Hat die Schweiz jetzt neu einen Verbündeten im Diskurs mit der EU?
Grossbritannien und die Schweiz haben ihre eigene, separate Beziehung mit der EU. Ich respektiere den bilateralen Weg, den die Schweiz mit der EU eingeschlagen hat. Es ist aber auch wichtig zu erinnern, dass wir sehr viele gemeinsame Interessen haben, um als grosse Partner der EU im Bereich von Handel, Aussenpolitik und Forschung zusammenzuarbeiten. Um sicherzustellen, dass auch EU-Nichtmitglieder ein gutes Verhältnis mit der EU haben können. Damit beide Seiten die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand Europas wachsen lassen können. Deshalb wird das Verhältnis zwischen Grossbritannien und der Schweiz für beide Länder in den kommenden Jahren noch wichtiger werden.
Das Verhältnis zwischen Grossbritannien und der Schweiz wird in den kommenden Jahren noch wichtiger werden.
Könnten Sie sich vorstellen, dass Grossbritannien und die Schweiz künftig häufiger gemeinsam gegenüber Brüssel auftreten?
Ich bin sicher, dass wir mehr zusammenarbeiten werden, etwa im Bereich der Dienstleistungen und der Forschung, wo wir in Grossbritannien jetzt den Zugang zum wichtigen Horizon-Programm ausgehandelt haben. Es gibt andere Bereiche wie Digitalisierung und Data, wo wir gemeinsame Interessen haben, ein sehr enges und gutes Verhältnis mit der EU zu pflegen.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.