Meron sitzt einer winzigen Bar in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Als er Anfang Woche vom Friedensabkommen zwischen Eritrea und Äthiopien hörte, war er ausser sich vor Freude.
Meron heisst eigentlich gar nicht Meron. Aber weil er als Eritreer illegal ist in Äthiopien – schliesslich waren die beiden Länder vor kurzem noch im Krieg miteinander – will er lieber Meron genannt werden. Aber nicht nur deswegen. Meron fürchtet sich auch vor der Regierung in seiner Heimat Eritrea.
In den Augen der Regierung habe ich Eritrea verraten.
Meron ist wie rund eine halbe Million andere Eritreer in den letzten Jahren aus seiner Heimat geflohen. Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung haben Eritrea mittlerweile verlassen. Und wie Zehntausende andere ist Meron aus dem sogenannten Nationaldienst desertiert. Weil Eritrea in den letzten zwanzig Jahren nicht im Frieden war mit Nachbar Äthiopien, zog das eritreische Regime all seine Bürger auf unbestimmte Zeit in den Nationaldienst ein.
Nur weil die beiden Staatschefs von Äthiopien und Eritrea nun ein Friedens-Papier unterzeichnet haben, glaubt Meron nicht, dass sich das repressive Regime in Eritrea von heute auf morgen ändert. Auch einem langfristigen Frieden gegenüber ist er skeptisch. «Zuerst müsste die lokale Bevölkerung an der Grenze Frieden schliessen. Erst dann können es auch die beiden Regierungen», glaubt er.
Schüren des Nationalismus
Damit drückt Meron eine vielgehörte Kritik aus. Vor allem in Äthiopien wird immer wieder darauf hingewiesen, dass unbedingt die lokale Bevölkerung, die Tigray, in den Friedensprozess eingebunden werden müsste, sonst habe der Friede keine Chance. Dazu brauche es endlich eine klare Grenzregelung. Denn auch wenn Eritreer und Äthiopier viel verbindet, die Sprache, die Kultur, schliesslich gehörten die beiden Länder vor 25 Jahren noch zum selben Land, wurde auf beiden Seiten während des Krieges der Nationalismus geschürt.
Und in Eritrea sei das besonders ausgeprägt, so Meron: «Wir sind seit 400 Jahren daran, unser Land zu verteidigen. Zuerst kamen die Ägypter, dann die Türken, die Italiener, die Briten, dann Äthiopien. Und die eritreische Regierung, die schürt diese Emotionen.»
Wenn es Frieden gibt, dann muss Demokratie folgen.
Dabei wünscht sich der 33-Jährige nichts mehr als Friede zwischen den beiden Staaten, die einst zum selben Land gehörten: Wenn es wirklich Frieden gibt, bleibe ich keine Sekunde länger in Äthiopien, so Meron. «Nirgendwo ist es schöner als Zuhause. Und so werden wohl die meisten Eritreer aus der Diaspora zurückkehren. Wenn es tatsächlich Frieden gibt. Und wenn es Frieden gibt, dann muss Demokratie folgen.»
Die derzeitigen Umwälzungen am Horn von Afrika sind historisch. Es könnte eine Art Glasnost werden, sowohl in Äthiopien als auch in Eritrea. Die Hoffnung in der Bevölkerung darauf ist auf jeden Fall gewaltig.