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Verurteilt wegen Spionage Evan Gershkovich – eine Geisel des Kremls

478 Tage nachdem Evan Gershkovich verhaftet wurde, ging alles plötzlich schnell: Das Urteil und die Strafmassverkündung wurden überraschend um einen Monat vorverschoben, das Gericht brauchte nur wenige Stunden um den Reporter des «Wall Street Journal» schuldig zu sprechen und zu 16 Jahren strenger Lagerhaft zu verurteilen.

Der Ausgang des Prozesses ist keine Überraschung: Die russischen Behörden hatten schon am Tag von Gershkovichs Verhaftung behauptet, der 32-Jährige sei «auf frischer Tat» dabei ertappt worden, wie er im Auftrag der CIA Informationen über Russlands Rüstungsindustrie gesammelt habe. Von den angekündigten «unwiderlegbaren Beweisen» dafür wurden während der Gerichtsverhandlung aber keine präsentiert.

Keine Hinweise auf Spionage

Gershkovich legte auch in schwierigen Zeiten für ausländische Reporter in Russland noch Wert darauf, aus verschiedenen Ecken des Landes zu berichten und dort auch unangenehme Fragen zu stellen. Dafür, dass er ein Spion sein soll, fehlt jeglicher Hinweis. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass ihn der Kreml als Geisel genommen hat.

Nicht zum ersten Mal würde Russland mit der Inhaftierung eines Ausländers oder einer Ausländerin versuchen, das jeweilige Heimatland zu erpressen: So verurteilte ein russisches Gericht 2022 die US-Basketballerin Brittney Griner wegen der Einführung von Cannabisöl zu neun Jahren Haft – statt der gemäss russischem Gesetz üblichen 15 Tage. Als Griner später gegen den in den USA inhaftierten russischen Waffenhändler Wiktor But freikam, feierte der Kreml den Tausch als Coup.

Putin zeigt sich bereit für Tauschgeschäft

Einen solchen Erfolg dürfte Wladimir Putin nun wieder anstreben. Im vergangenen Februar machte Russlands Präsident in einem Interview mit dem erzkonservativen US-Moderatoren Tucker Carlson keinen Hehl daraus, dass er zu einem neuen Tausch bereit sei. Er deutete gar an, zu welchem Preis er Evan Gershkovichs Freiheit anbietet.

«In einem Land, das mit den USA verbündet ist, sitzt ein russischer Mann im Gefängnis, der in einer europäischen Hauptstadt aus Gefühlen des Patriotismus einen Banditen liquidiert hat», sagte Putin. Er meinte Wadim Krassikow, der 2019 im Berliner Tiergarten einen ehemaligen tschetschenischen Rebellenführer ermordet hatte. Ein Berliner Gericht entschied 2021, dass Krassikow im Auftrag des russischen Staates gehandelt hatte.

Dass Evan Gershkovich nach so langer Zeit in U-Haft nun im Schnellverfahren verurteilt wurde, spricht dafür, dass ein Gefangenenaustausch bevorstehen könnte. Doch so einfach ist die Sache nicht. Deutschland hat wenig Interesse daran, einen verurteilten Auftragskiller freizulassen. Und kein westlicher Staat will den Kreml dazu ermuntern, noch mehr Medienschaffende willkürlich zu verhaften. Die Alternative ist aber genauso wenig akzeptabel: Dass Evan Gershkovich für Jahre ins Gefängnis muss, nur weil er seine Arbeit getan hat.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Krieg in der Ukraine

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Echo der Zeit, 19.07.2024, 18 Uhr

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