Heute Abend stimmt das britische Parlament über das Brexit-Abkommen ab, das Premier Theresa May mit der EU ausgehandelt hat. Bis zur letzten Minute nutzte sie jede Gelegenheit, um dafür zu kämpfen. Doch ob es für eine Mehrheit im Parlament reicht, ist unklar. Klar hingegen ist, Grossbritannien steht an einem Scheideweg. Die möglichen Szenarien im Überblick:
Szenario 1 – das Misstrauensvotum und Nachverhandlungen: Labour stellt Theresa May ein Misstrauensvotum. Selbst, wenn sie das übersteht, müsste der Austrittstermin von Grossbritannien aus der EU – der 29. März – wohl verschoben werden. Denn parallel würde May wohl versuchen, in Brüssel nachzuverhandeln, sagt SRF-Grossbritannien Korrespondentin Henriette Engbersen.
May wird vermutlich versuchen, neu zu verhandeln, doch wieviel es bringt – das ist schwer zu sagen. Danach würde May den Deal nochmals dem Parlament zur Abstimmung vorbringen. Lehnt es wiederum ab, wird Mays Rücktritt wahrscheinlicher, Neuwahlen oder ein zweites Referendum.
Szenario 2 – Misstrauensvotum und Neuwahlen: Verliert May das Misstrauensvotum, hofft Labour auf Neuwahlen. Labour-Chef Corbyn will so die schwache Position der Regierung ausnutzen. Auch dafür müsste der Austrittstermin verschoben werden und der Ausgang wäre völlig offen, wie Engbersen erklärt.
Das Problem der Oppositionspartei ist, Neuwahlen würden nichts an der inneren Zerrissenheit beim Thema Brexit ändern. Viele Labour-Mitglieder wollen ein zweites Referendum, ihr Parteichef Corbyn will aber den Brexit auf seine Weise durchziehen.
Szenario 3 – zweites Referendum: Das Parlament bestimmt den Brexit-Kurs, und es findet sich eine Mehrheit für ein zweites Volksreferendum. Doch allein die Auswahl der Frage, über die abgestimmt werden soll, ist heikel. Auch hier würde der Zeitraum bis Ende März nicht ausreichen.
Im Moment sieht es noch nicht danach aus, dass es im Parlament eine Mehrheit für ein zweites Referendum gibt. Wenn aber andere Optionen wegfallen, könnte es am Ende sein, dass es zu einem zweiten Referendum kommt.
Szenario 4 – harter Brexit: Für jeden dieser Wege müsste die EU sich bereit erklären, den Austritt zu verschieben. Es ist also gut möglich, dass Grossbritannien einen solchen Antrag stellt. Denn wenn nicht, könnte es sein, dass das Land am 29. März ohne Lösung dasteht. Dann müsste Grossbritannien die EU ohne einen Deal verlassen. Das wäre wohl der steinigste aller Wege.