Der Markt im elsässischen Riedisheim zieht viele Besucherinnen und Besucher an. Darunter auch ein pensionierter Unternehmer, der soeben seine Einkäufe erledigt hat. «Ich weiss nicht, wie ich dieses Mal wählen soll. Es steht extrem viel auf dem Spiel. Man muss nicht nur lokal, sondern auch in nationalen Dimensionen denken», sagt er gegenüber SRF. Viele Menschen im Land seien enttäuscht von der Politik, konstatiert er und spricht von Politikerinnen und Politikern, die zwar schöne Reden gehalten hätten, denen aber keine Taten gefolgt seien.
Ähnlich argumentiert auch David, ein Marktbesucher in den Fünfzigern. Doch er hat sich bereits entschieden, dass er das Rassemblement National (RN), die Rechtsaussen-Partei von Marine Le Pen wählen wird. Wird sie die grosse Gewinnerin dieser Parlamentswahl und der 28-jährige RN-Parteipräsident Jordan Bardella womöglich neuer Premierminister? Diese Frage steht über allem in diesem Blitzwahlkampf in Frankreich. Umfragen deuten in diese Richtung.
Genau dies mache der Marktbesucherin Muriel Angst, sagte sie: «Eben erst haben wir mit grossem Pomp 80 Jahre D-Day – die Befreiung vom Faschismus – gefeiert und nun will man solche Leute wählen?» Das pauschale Urteil von ihr lautet, der Franzose sei schon immer individualistisch und egoistisch gewesen.
Immigration, Kaufkraft, Rentenalter, Löhne und die Warnung vor Extremen: das sind die Schlagworte der Stunde. Der Gemeinderat von Riedisheim, Bertrand Voegtlin, stellt aber fest, dass weniger geredet, diskutiert und politisiert werde als sonst – auch im Privaten. «Die Fronten sind verhärtet, alle verharren auf ihrem Standpunkt und weigern sich, die Argumente der anderen zu hören. Dies ermöglicht keinen konstruktiven Dialog», sagt er in einem Café am Rande des Marktplatzes.
Politiker werben am Eingang des Marktgeländes
Politikerinnen und Politiker ziehen während dem Wahlkampf durchs Land und werben für sich und ihre Partei. Am Eingang zum Marktgelände steht eine Gruppe Männer und verteilt Wahlkampfbroschüren. Hier hat sich die politische Konkurrenz versammelt.
Beispielsweise Olivier Becht, der jahrelang im französischen Parlament sass und jetzt wieder als Parteiloser im Lager des Präsidenten kandidiert. Die Auflösung des Parlaments so kurz vor den Olympischen Spielen sei riskant, da es zu Krawallen kommen könnte. «Letztens aber spielen wir nur den Gegnern des Westens – Russland, China – in die Hände, wenn wir uns gegenseitig zerfleischen.»
Auch der RN-Kandidat Pierre Pinto verteilt vor dem Markt Broschüren und wirbt für seine Partei. Diese scheint laut Umfragen vor der französischen Parlamentswahl derzeit im Aufwind. «Die Franzosen haben genug von der ‹tödlichen Politik› Macrons. Sie sehnen sich nach Veränderung.» Pintos Parolen klingen routiniert, wie einstudiert. Der 25-Jährige mit italienisch-portugiesischen Wurzeln führt nicht zum ersten Mal Wahlkampf. Wie Parteipräsident Jordan Bardella ist Pinto bereits mit 16 dem RN beigetreten.
Nach gut zwei Stunden ziehen die Wahlkämpfer weiter. Es bleibt noch viel zu tun. Vor dem Stand mit den Melonen liegt eine Wahlbroschüre am Boden. Jemand hat sie verloren – mit oder ohne Absicht.