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Europawahl So hat sich die politische Ausrichtung Europas verändert

Rechte, zum Teil rechtsextreme Parteien triumphieren bei der Europawahl in den Nachbarländern. Europaweit relativiert sich das Bild.

Darum geht es: Europa hat gewählt – und zwar rechts. Besonderes Aufsehen erregten allerdings die Wahlsiege von Parteien ganz am rechten Rand, allen voran des Rassemblement national (RN) in Frankreich, das dort über 30 Prozent der Stimmen holte. Auch in Italien, Österreich und Deutschland schnitten Rechtsaussen-Parteien gut ab oder gewannen gar die Wahl. Doch der Blick ins übrige Europa relativiert den Erfolg der Europa-Skeptiker.

Rechtsaussen triumphiert in den Nachbarländern: Der Wahlsieg des RN in Frankreich liess Präsident Macron sofort Neuwahlen ausrufen. Zusammen mit weiteren Rechtsparteien holen die EU-Skeptiker gut 40 Prozent der 81 französischen Sitze. Das fällt ins Gewicht, weil Frankreich viele Abgeordnete stellt. In Italien gewinnen die Fratelli d’Italia um die Postfaschistin Giorgia Meloni die Wahlen. Dazu kommen acht Sitze für die EU-skeptische Lega. In Österreich wird die rechts aussen positionierte FPÖ bei den EU-Wahlen stärkste Kraft. Nirgendwo sonst ist der Triumph so gross, wie in den drei Staaten. In Deutschland kommt ein starkes Wachstum der AfD hinzu. In den Niederlanden profitiert Geert Wilders’ PVV von der Schwäche anderer EU-Skeptiker.

In Ostmitteleuropa teils deutlich mehr Interesse: Die Wahlbeteiligung stieg nach einem deutlichen Anstieg 2019 dieses Mal nur leicht an (51 Prozent, +0.4). Gestiegen ist das Interesse vor allem in östlichen Mitgliedstaaten, während es in Westeuropa teils deutlich sank. Eine Ausnahme bildet Portugal. Die EU als Friedensprojekt erhält mit dem russischen Angriff auf die Ukraine dort eine ganz neue Bedeutung. Dem Trend entgegen geht stagnierendes Interesse in Bulgarien und Rumänien sowie im Baltikum. In Litauen ist die Stimmbeteiligung deutlich zurückgegangen.

Nordeuropa reisst nach links aus: Während die Mitte-rechts positionierte EVP in fast allen Regionen Europas Erfolge feiert, meist zulegt und vielerorts stärkste Kraft wird, gibt es eine Anomalie: In Nordeuropa schneiden (teilweise pointiert) linke und grüne Parteien gut ab. In Schweden und Finnland sind es Parteien links aussen, die am stärksten zulegen. In Lettland und Dänemark die Grünen. Gesamteuropäisch fällt das hingegen kaum ins Gewicht.

Europa rückt nach rechts, rechtsaussen legt langfristig zu: Gesamteuropäisch legen zwar rechte bis rechtsextreme Parteien zu, allerdings nur moderat und deutlich weniger stark als vor den Wahlen erwartet. Gestärkt wird vor allem die proeuropäische Rechte. Mit dem Zuwachs für EU-skeptische Parteien setzt sich hingegen ein langfristiger Trend fort. Noch haben proeuropäische Parteien eine Mehrheit im EU-Parlament, aber ihre Mehrheit wird immer knapper. Gelingt es den proeuropäischen Kräften nicht, glaubwürdige Angebote für die Wählenden zu machen, drohen sie die Mehrheit zu verlieren.

Rendez-vous, 10.06.2024, 12:30 Uhr

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