Wird am Sonntag gelingen, was noch Anfang Woche gescheitert ist? Diese Frage prägt die Stimmung vor dem nächsten Libyen-Friedensgipfel in Berlin. Ziel der Konferenz ist es, die Bemühungen der UNO für ein souveränes Libyen zu unterstützen. Kurzfristig geht es um einen Waffenstillstand zwischen der international anerkannten Regierung in Tripolis und General Haftars Truppen. Maghreb-Kenner Beat Stauffer sieht dafür nur eine geringe Chance.
SRF News: Wird General Chalifa Haftar, der mit seiner Armee einen Teil Libyens kontrolliert, ein Abkommen für eine Waffenruhe unterzeichnen?
Beat Stauffer: Das wird nur gelingen, wenn Haftars Verbündete – in erster Linie Russland, die Arabischen Emirate und Ägypten – massiven Druck auf ihn ausüben. Er hat in den letzten Tagen und Wochen Erfolge verzeichnet. Er hat zum Beispiel Sirte erobert, eine wichtige Stadt. Haftar hat nun also Rückenwind und wird sich nicht ohne Not auf eine Waffenruhe einlassen.
Wie stark ist Haftars Position derzeit?
Sie ist gemessen am Territorium, das er kontrolliert, stärker denn je. Aber möglicherweise hat sich Haftar übernommen. Er hat nicht mehr genug eigene Soldaten, um dieses riesige Territorium von Osten Libyens, von Bengasi bis vor Tripolis und bis weit in den Süden, zu kontrollieren.
Möglicherweise hat sich Haftar übernommen. Er hat nicht mehr genug eigene Soldaten, um sein riesiges Territorium zu kontrollieren.
Er hat offenbar viele Soldaten verloren und ist auf Söldner angewiesen. Er soll auch Migranten zwangsrekrutiert haben. Und diese kämpfen natürlich nicht so engagiert wie die Milizenverbände von Tripolis und Misrata, die ihr eigenes Land verteidigen.
Haftar befürchtet angeblich, dass sich seine Gegner nicht an die Waffenruhe halten würden, weil die Regierung in Tripolis die mit ihr verbündeten Truppen gar nicht kontrollieren könne. Stimmt das?
Es stimmt, dass die international anerkannte Regierung in Tripolis über keine eigene Armee verfügt, dass sie auf Milizenverbände angewiesen ist. Aber diese können sich durchaus auf eine gemeinsame Linie einigen. Es gibt stärkere, hierarchisch höher gestellte Milizen, die sich durchsetzen. Ich denke, dass das ein Vorwand ist, um sich einer solchen Vereinbarung zu entziehen.
Am Machtpoker um das ehemals reichste afrikanische Land sind diverse internationale Akteure mit unterschiedlichen Interessen beteiligt. Viele von ihnen sitzen am Verhandlungstisch. Ist das die richtige Strategie?
Im Prinzip schon. Nur dürften die wichtigsten Akteure in diesem Konflikt, der immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg wird, nicht mit gezinkten Karten spielen und internationale Vereinbarungen hintertreiben – etwa das Waffenembargo, das von der UNO verhängt worden ist.
All dies hat der Glaubwürdigkeit der UNO und besonders auch jener der EU schweren Schaden zugefügt.
Es geht aber auch um die Unterstützung für die Regierung von Fayez al-Sarradsch, die hintertrieben wird. All dies hat der Glaubwürdigkeit der UNO und besonders auch jener der EU schweren Schaden zugefügt. Jetzt müsste die internationale Gemeinschaft mit einer Stimme sprechen und Sanktionen gegen die Länder verhängen, die gegen die Abmachung verstossen.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.