Die ukrainische Armee hat den Krieg vor einer Woche nach Russland gebracht – mit ihrem Vorstoss über die Grenze in die Region Kursk. Es ist unklar, wie tief die Ukraine in russisches Gebiet vorgestossen ist. Und es ist ebenso unklar, wie erfolgreich die russische Armee bei der Abwehr ist. Beide Seiten melden Erfolge bei den Kämpfen. Unabhängige Bestätigungen dazu liegen keine vor. SRF-Russlandkorrespondent Calum MacKenzie schätzt die Situation ein.
Wie viel russisches Territorium kontrolliert die Ukraine in Kursk?
Russische Behörden berichten, dass die Ukraine etwa 450 Quadratkilometer und 28 Siedlungen in der Region Kursk kontrolliert. Diese Angaben sind plausibel, aber die Lage ist unklar und dynamisch.
Wie stellt Russland die Situation dar?
Wladimir Putin bezeichnet die ukrainische Offensive als «Provokation». Offiziell handelt es sich bei den Kämpfen in Kursk um eine «Anti-Terror-Operation». Der Kreml versucht, das Geschehen herunterzuspielen, behauptet aber gleichzeitig, dass der Angriff zeige, dass der Westen einen Krieg gegen Russland führe. Vertreter des Kremls behaupteten etwa, in Kursk kämpften französische Söldner aufseiten der Ukraine. Dafür gibt es aber keine Anzeichen.
Hat die Ukraine es geschafft, Russlands Truppen zu binden?
Offenbar noch nicht. Russland hat bislang darauf verzichtet, erfahrene Einheiten aus der Ostukraine abzuziehen. Die russischen Truppen machen im Donbass weiterhin Geländegewinne. Aber die Verteidigung in Kursk zeigt Schwächen. Ähnlich wie beim Wagner-Aufstand vom letzten Jahr hat sich gezeigt, dass Verteidigungslinien innerhalb von Russland sehr schnell durchbrochen werden können, gerade durch den Überraschungseffekt.
Wer kämpft in der Region Kursk für Russland?
Russland setzt in Kursk seine Reserven ein. Das sind vor allem frisch ausgebildete Rekruten und Wehrpflichtige, also 18-, 19- oder 20-jährige Männer, die ihren obligatorischen Militärdienst leisten. Diese können meist nicht mit den kampferprobten ukrainischen Einheiten mithalten.
Könnte der Vorstoss Russland bei Verhandlungen zu Kompromissen bewegen?
Womöglich ist das eines der Ziele der Ukraine. Aber es ist unwahrscheinlich. Putin verhandelt meist nur aus einer Position der Stärke. Er ist jetzt also womöglich noch weniger verhandlungsbereit als zuvor. Er steht auch nicht unter internem Druck, hat keine Kritiker in Russland. Also wird er wohl einfach abwarten und versuchen, die Situation in Kursk wieder unter Kontrolle zu bekommen.