Das ist passiert: Vor drei Tagen ist die russische Region Kursk von ukrainischen Truppen angegriffen worden. Die Ukrainer rückten gemäss dem US-Institut für Kriegsstudien (ISW) zehn Kilometer weit auf russisches Gebiet vor. Laut russischen Angaben sind rund 1000 ukrainische Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen eingedrungen. In der Region wurde der Notstand ausgerufen. Rund 3000 Menschen sind Behördenangaben zufolge in Sicherheit gebracht worden. Die Ukraine schweigt bislang. Es ist einer der grössten ukrainischen Angriffe auf russisches Territorium seit Kriegsbeginn.
Die Lage in der Region Kursk: Zurzeit gibt es widersprüchliche Informationen zum Vorstoss. Laut russischen Behörden ist die Situation «unter Kontrolle», man habe einen Vormarsch ukrainischer Einheiten gestoppt und dränge sie zurück. Prorussische Militärblogger hingegen sprechen von einer «schwierigen Lage», die sich weiter verschlechtere, obwohl das Tempo des ukrainischen Vorstosses nachgelassen hätte. Die Ukrainer seien weiter nördlich Richtung Anastassjewka sowie nach Nordosten Richtung Korenowo gedrungen. Ausserdem ziehe die Ukraine Reserven nach und habe damit begonnen, ihre Stellungen zu befestigen. Zusätzliche 2000 Soldaten stünden dazu bereit. Örtlichen Berichten zufolge gibt es – wie in Medien zu lesen war – derzeit keine ukrainische Präsenz in der Kleinstadt Sudscha. Lediglich nördlich und westlich der Stadt wird von Schiessereien und Artilleriebeschuss berichtet.
Was könnte die Ukraine vorhaben? Über das Ziel des ukrainischen Vorstosses wird im Moment gerätselt. Laut dem Militärexperten Nico Lange geht es der Ukraine darum, die Initiative zu ergreifen. Es sei das erste Mal seit Herbst, dass es der Ukraine gelungen sei, Russland in Bedrängnis zu bringen, so Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz. Es gehe zudem auch um die «Herrschaft im Informationsraum», was den Ukrainern ebenfalls gelungen sei. Was die operativen Ziele der Ukraine seien, könne man seriös noch nicht beurteilen, sagt der Experte, der der deutschen CDU nahesteht. Man werde dies erst sehen, wenn die Ukraine weitere Truppen nachrücken lasse.
Wie wird Russland darauf reagieren? In Moskau nannte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch den ukrainischen Angriff eine schwere Provokation. Gemäss ARD-Korrespondent Frank Aischmann ist nun mit einem «grossen gezielten militärischen Schlag» auf die Ukraine zu rechnen – wohl auch auf zivile Infrastruktur, um die Handlungsfähigkeit Russlands zu demonstrieren. Zudem wolle Russland den UNO-Sicherheitsrat einschalten, weil offenbar ein russischer Militärkorrespondent eines staatlichen TV-Senders schwer verletzt worden sei, so Aischmann.
Gab es schon mal ähnliche Angriffe? Bei vergangene Angriffen in den Regionen Kursk und Belgorod operierten von ukrainischem Gebiet aus auch schon Freiwilligenverbände bestehend aus russischen Staatsbürgern. Das russische Freiwilligenkorps oder auch die Legion Freiheit Russlands sind damals mit ihrem Bekenntnis in die Schlagzeilen geraten. Aber jene Angriffe waren im Vergleich zum jüngsten Einmarsch in der Region Kursk verhältnismässig klein: Nur Dutzende – nicht Tausende – Bewaffnete waren beteiligt.