Katalonien. Das fällt vielen spanischen und ausländischen Kommentatoren zuerst ein, wenn sie den fulminanten Aufstieg der Rechtsnationalisten von Vox erklären sollen. Katalonien ist jetzt nicht nur eine separatistisch gestimmte Region, ein nationaler Krisenherd. Nein, Katalonien soll jetzt auch verantwortlich sein für den Aufstieg der Rechten. Das stimmt nur bedingt.
Die Flammenbilder von Barcelona: brennende Autos, brennende Barrikaden. Diese Bilder von den Protesten gegen die Katalanen-Urteile waren ein Geschenk für die spanische Rechte. Sie galten ihr als Beweis dafür, dass die «Katalanen» Rebellen sind, die man bändigen, strafen, einsperren muss. Vox hatte im Prozess über siebzig Jahre Gefängnis für die Hauptangeklagten gefordert.
Vom No-Name zur Angst-Partei?
Katalonien wurde im Wahlkampf zu harter politischer Währung. Das war hilfreich. Aber Vox hatte zuvor ein viel grösseres Geschenk erhalten, das überhaupt erst das Terrain für die Rechtsnationalisten ebnete. Es waren die Konservativen (PP) und die früher liberale Bürgerpartei Ciudadanos, die Vox salonfähig machten. Sie schufen den unschätzbaren Resonanzraum für eine Partei, die 2016 erst 0.2 Prozent Wähleranteil hatte und deren Namen in Spanien niemand kannte.
Bei den Regionalwahlen in der sozialistischen Hochburg Andalusien vor einem Jahr fuhren PP und Ciudadanos mit grossen Kampagnen auf. Ihr Hauptthema, ihr einziges Thema eigentlich, war Katalonien.
Pakt mit Vox – der Sündenfall
Die Auftritte der nationalen Parteichefs, die sich auf ihrem Weg nach rechts gegenseitig zu überbieten versuchten, halfen Vox – und am Ende überzeugte Vox viele Wähler in Andalusien mehr als die beiden Kopisten. Konservative und Ciudadanos scheuten nicht davor zurück, mit Vox einen Regierungspakt einzugehen. Der Sündenfall.
Das war nicht genug. Im Februar dieses Jahres kam es zur gemeinsamen Demonstration von Konservativen, Ciudadanos und Vox auf der Madrider Plaza Colón. Das Bild der drei Parteiführer vereint auf einem Platz verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Das hätte keine Werbeagentur so hinbekommen.
Die Bühne für den jüngsten durchschlagenden Erfolg von Vox war gebaut. Oder wäre Startrampe das richtigere Wort? Den beiden Gehilfen, Ciudadanos und PP, hat es nichts geholfen. Ciudadanos ist abgebrannt und im Parlament praktisch bedeutungslos. Und die Konservativen erholen sich nur langsam von ihrem Absturz im April.
Zu hoch gepokert?
Ihre Fraktion hat heute immer noch rund 50 Sitze weniger als jene, die Mariano Rajoy, der frühere Premier, hinterlassen hat. Und die Position des PP war damals schon schwach. Sie bleibt es – aber jetzt haben die Konservativen noch Vox im Nacken. Das dürfte deren politischen Spielraum einschränken.
Jetzt brauchen sie Strategen, nicht Taktiker, die nur an den nächsten Tag denken. Eine Überraschung ist all das nicht. Das war im Sommer schon weitgehend absehbar. Aber der Sozialist Sánchez zog es vor, hoch zu pokern. Und nun ist er faktisch der dritte Steigbügelhalter der Rechten. Seine Lage ist nicht komfortabler geworden.