Das jüngste Treffen von Kanzlerin Merkel und ihrem chinesischen Amtskollegen, Ministerpräsident Li Keqiang, fand hinter verschlossenen Türen statt. Es gab keine Bilder aus der Videokonferenz und keinen Presseauftritt danach – die Kanzlerin hält sich bedeckt, wenn es um China geht.
China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands, oft wirkt es so, als würde die deutsche Bundesregierung alle Interessen jenen der Wirtschaft unterordnen. «Wandel durch Handel» lautet das Motto ihrer China-Politik. China werde sich den westlichen Werten von allein annähern, so die Hoffnung.
China-Politik der Kanzlerin sei «gescheitert»
Einer, der diesen Kurs scharf kritisiert, ist Andreas Fulda, Politik-Wissenschaftler an der Universität Nottingham. Sein jüngstes Buch über Chinas Ringen mit der Demokratie fand international Beachtung, seinen Aufrufen für ein klares Bekenntnis gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas folgten hunderte Politiker.
Merkels Politik vermittle ein falsches Bild und habe dazu geführt, dass China neben den USA als das kleinere Übel erscheine. Das mag zu einem grossen Teil an Präsident Trump liegen, blendet aber aus, dass die USA eine Demokratie sind und China ein autoritäres Einparteien-Regime. Dennoch hält über ein Drittel der Deutschen China mittlerweile für den wichtigeren Partner als die USA.
Der viel beschworene Weg von Kooperation und Dialog sei gescheitert, ist Fulda überzeugt. Xi Jinping habe sich in den letzten Jahren zu einem totalitären Herrscher entwickelt, ein Gulag-System errichtet und drohe Taiwan mit der Annexion. Zu glauben, China lasse sich allein durch gutes Zureden davon abbringen, sei naiv.
«Wie ein Krebsgeschwür, das sich ausbreitet»
Ähnlich sieht es der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand. Er gehört zu einer internationalen Gruppe von Parlamentarierinnen und Parlamentariern, die die Freiheitsrechte des Westens durch China bedroht sehen und sich koordiniert dagegen wehren wollen: «Wenn wir jetzt kein Stopp-Signal aussenden, wird sich die Expansion und Unterdrückung ausbreiten wie ein Krebsgeschwür.»
Brand hält die Gelegenheit für günstig, denn China ist geschwächt. Die Exporte nach Europa sind eingebrochen, und zum ersten Mal seit Jahrzehnten schrumpft die Wirtschaft. Das zeigt, wie wichtig Europa als Exportmarkt für die Chinesen ist. Die EU hat gegenüber China durchaus etwas in die Waagschale zu werfen.
Chance für neuen Kurs
Deutschland kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Angela Merkel muss den Kurs vorgeben, nur so wird eine gemeinsame europäische China-Strategie möglich. Bisher hatte sich die Bundesregierung schwergetan, Chinas Menschenrechtsverletzungen und Expansionsansprüche zu benennen.
Am 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Ein zentraler Punkt auf der Agenda ist das Verhältnis zu China, die Kanzlerin plant noch in diesem Jahr einen China-Gipfel in Deutschland und ein gemeinsames Investitionsabkommen. Es wäre die ideale Gelegenheit, die Beziehung zu China auf eine neue Ebene zu stellen. Die Erwartungen an die Kanzlerin sind hoch.