Wenn Nadine Hoffmann spricht, spricht sie ruhig. Jedes Wort wirkt gut überlegt. Doch in ihr drin macht sich Nervosität breit. Der Grund: Hoffmann ist mit ihrer Familie in Florida in den Ferien und vor der Küste braut sich ein Wirbelsturm zusammen, der mit rekordverdächtigen Werten auftrumpft. Die Auswirkungen von «Milton» – so heisst der Sturm – ungewiss. Es wird vermutet, dass «Milton» etliche Wassermassen mit sich bringt.
Und das, obwohl es erst gut zwei Wochen her ist, seit Hurrikan «Helene» gewütet hat. Über 200 Menschen sind an den Folgen des Wirbelsturms gestorben. Die Zerstörung ist noch immer sichtbar. Am Strassenrand türmen sich Matratzen und weitere Möbel. «Die werden für Milton zu Wurfgeschossen», sagt Hoffmann. Man hatte schlicht nicht genug Zeit, das, was Helene verwüstet hat, aufzuräumen.
Wir haben immer wieder entschieden, dass wir das aussitzen.
Hoffmann weilt mit ihrer Familie in einem Haus von Freunden in Englewood, gut zwei Kilometer vom Strand entfernt. Seit mehreren Jahren kommen sie immer etwa zur gleichen Zeit nach Florida. Bisher sei alles immer gut gegangen.
Seit die Meldung kam, dass nach Hurrikan «Helene» ein weiterer Wirbelsturm im Anmarsch ist, machten sich die Hoffmanns Gedanken, ob sie bleiben oder gehen sollen. «Wir haben uns gefragt, wo wir hinwollen, ob es die Möglichkeit eines Rückflugs in die Schweiz gibt, haben etliche Möglichkeiten durchgespielt. Und wir haben immer wieder entschieden, dass wir das aussitzen», sagt Hoffmann.
Verstopfte Strassen und nur spärlich Benzin
In der Nachbarschaft reagieren die Leute unterschiedlich auf die bevorstehende Ankunft von «Milton». Einige haben ihr Zuhause verlassen, andere harren aus wie die Hoffmanns.
Lieber bin ich während des Sturms in diesem Haus als in einem Auto
Das Haus der Hoffmanns befindet sich in der Zone C. Bis am Dienstagmorgen war die Devise, dass Menschen aus den Zonen A und B evakuieren müssen. Dann kam die Nachricht: Nun soll sich auch die Zone C auf den Weg machen. Und prompt vibriert auch während unseres Gesprächs das Telefon: Eine weitere Warnung mit Aufruf zur Evakuierung blinkt auf. «Doch wo wollen wir denn hin?», fragt Nadine Hoffmann.
Die Strassen sind bereits verstopft mit all jenen, die sich früher auf den Weg gemacht haben, Benzin ist nur noch spärlich vorhanden. Ob, und wenn, wohin, sich «Milton» konkret noch verschiebt, ist ebenfalls unklar. «Lieber bin ich während des Sturms in diesem Haus als in einem Auto. Das Haus ist gut gemauert, die Fenster sind Hurrikan-sicher», so Hoffmann.
Sie seien gut vorbereitet, hätten ausreichend Wasser und Essen gekauft, alles, was herumfliegen könnte, von draussen nach drinnen geräumt, die Badewanne würden sie noch volllaufen lassen – für weitere Reserven. «Wir haben alle Szenarien, die wir einigermassen kontrollieren können, geprüft. Was, wenn die Pinie im Garten auf das Haus oder die Palme in den Pool fällt? Zwei Räume werden wir komplett schliessen, weil es da gefährlich werden könnte.»
Normalität aufrechterhalten
Hoffmann versucht, ruhig zu bleiben. «Wir geben uns Mühe, die Normalität aufrechtzuerhalten. Werden wir nervös, überträgt sich das auf die Kinder und das hilft niemandem.» Aber sie seien auch transparent und sagten, dass es vielleicht einen Stromausfall geben wird, kein Wasser und kein Internet mehr.
Trotz dieser Aussichten will Hoffmann das Beste machen aus der Situation. Und so hiess es heute: «Schmeiss nochmal den Whirlpool an, wir müssen da nochmals rein, bevor es losgeht!»
Angst, das habe sie nicht, sagt Hoffmann. «Ich fürchte nicht um mein Leben. Aber es gibt ein Unbehagen vor dem Ungewissen. Wir wissen nicht, wie wir mit den Kids durch die Nacht kommen, wenn es ums Haus herum wütet.»