Die italienische Mafia versteht es, aus Krisen Profit zu schlagen. Nun besteht die Befürchtung, dass dies auch jetzt in der Corona-Krise passiert.
Palermo hat es in den letzten Jahren geschafft, die lokale Mafia, die Cosa Nostra, zurückzudrängen. Doch diese Erfolge könnten nun wieder zunichtegemacht werden, befürchtet der einflussreiche Staatsanwalt Francesco Lo Voi.
Wenn die Mafia nun beginnt, armen Familien jede Woche den Einkauf zu schenken, dann schafft das Abhängigkeiten.
Gerade jetzt, in der Corona-Krise, haben viele Leute in Palermo keine Arbeit mehr. Viele haben selbst für den täglichen Einkauf zu wenig Geld.
Anklopfen bei Unternehmen
Genau das biete der Mafia viel Raum einzuspringen, sich als vermeintlich barmherziger Samariter anzupreisen: «Wenn die Mafia nun beginnt, armen Familien jede Woche den Einkauf zu schenken, dann schafft das Abhängigkeiten.» Die Beschenkten werden, sagt Lo Voi, der Mafia ewig dankbar sein, ihr gar unterwürfig zu Diensten stehen.
Unter den Ärmsten der Armen zu fischen, sei aber nur eine Strategie. Die andere werde es sein, bei Unternehmern anzuklopfen. Betrieben, die wegen des Virus in Not geraten, verspreche die Mafia grosszügig und vermeintlich unkompliziert Geld.
Tourismusbetriebe sind leichte Opfer
Die Mafia verfüge über ungeheuer viel Bargeld, das sie nun in ganz normale, legale Betriebe investieren und so waschen wolle: «Die Mafia gewährt Kredite, günstige Kredite, mit denen sie die Unternehmer in ihre Abhängigkeit bringt, aus der sie sich nur mehr schwer herauswinden können.»
Palermo hat in den letzten Jahren einen bescheidenen Aufschwung erlebt, vor allem wegen des Tourismus. Doch nun ist alles blockiert. Und es ist völlig unklar, wann und wie Touristinnen und Touristen zurückkehren können. Tourismusbetriebe seien darum, sagt Lo Voi, die ersten und leichtesten Opfer der Mafia: «Restaurants, Bars, Imbissbuden, Souvenirläden, Bed&Breakfast: alles Geschäfte, die nun leiden. Und in welche die Mafia nun einzudringen versucht.»
«Staat muss schnell helfen»
Nicht nur Sizilien und Italien werden davon betroffen sein, so Lo Voi: «Auch im Ausland muss man aufpassen, wenn auf einmal ein Investor mit dickem Checkbuch auftaucht.» Unternehmer müssten wachsam sein, aber auch der Staat.
Der Staat müsse Familien und Betrieben in Not nun wie versprochen schnell helfen, ohne sich im bürokratischen Leerlauf zu verlieren. Das heisse aber nicht, dass der Staat nun auf Kontrollen verzichten müsse.
Kontrollen etwa bei der Vergabe öffentlicher Aufträge abzubauen, das wäre ein enormes Geschenk an die Mafia: «Noch», sagt Francesco Lo Voi, «haben wir keine Daten, wie massiv die Mafia in der noch jungen Corona-Krise tatsächlich eingreift.»
Dass sie es tut, daran zweifelt der Staatsanwalt aber nicht. Und erklärt dies an einem historischen Beispiel, dem Fall der Berliner Mauer 1989. Damals habe man ein Telefongespräch zweier Mafiosi abgehört: «Der eine Mafioso sagte dem anderen: Jetzt, wo die Grenze offen ist, müssen wir nach Ostberlin, um einzukaufen: Liegenschaften und Betriebe.»
Im Windschatten historischer Ereignisse schlägt die Mafia zu, sagt der Mafia-Jäger, auch heute.