Axel van Trotsenburg leitet das operative Geschäft der Weltbank. In den letzten Jahren der weltweiten Multikrisen hat er besonders viel zu tun. Er wünscht sich mehr Solidarität – und mehr Geldmittel.
SRF News: Die Weltbank schickte im Frühling Soforthilfe in die Ukraine, welche Hilfe leistet sie heute?
Axel van Trotsenburg: Nach der Invasion Russlands haben wir 500 Millionen Dollar an Soforthilfe vergeben – damit der Staat weiter funktionieren kann, die Löhne des Gesundheitspersonals oder Pensionen weiterbezahlt werden können. Das war nur der Anfang. Bis heute sind an die 18 Milliarden Dollar mobilisiert worden. Von denen sind bisher 13 Milliarden ausbezahlt. Wir kriegen von allen Ländern Zuschüsse, auch von der Schweiz.
Russland hat kein Veto eingelegt gegen diese Gelder?
Russland hat nie ein Veto eingelegt.
Wenn so schnell so viele Gelder fliessen, führt das zu Problemen mit der Korruption?
Dies ist einer der Gründe, weswegen so viele Gelder über die Weltbank geleitet werden. Wir haben mit der Regierung in Kiew vereinbart, dass diese Gelder verfolgt werden, damit sie an richtigen Orten ankommen.
Der Regierung in Kiew ist klar, dass sie Rechenschaft über die Gelder ablegen muss.
Es ist der ukrainischen Regierung bewusst, dass sie Rechenschaft ablegen muss und wir arbeiten sehr eng zusammen.
Ist die Corona-Pandemie der grösste Rückschlag in der Armutsbekämpfung der letzten Jahrzehnte?
Das kann man leider laut sagen. Jahrzehntelang sind die Zahlen der extremen Armut gesunken. Jetzt steigen sie wieder. Nach unserer Schätzung sind rund 100 Millionen Menschen durch die Pandemie von extremer Armut betroffen.
Langzeitfolgen der Corona-Pandemie sehen wir auch im Bildungssystem.
Wir sehen zudem Langzeitfolgen im Erziehungssystem. Hunderte Millionen von Kindern sind nicht in die Schule gegangen. Und was noch schlimmer ist: Viele kehren nicht zurück, vor allem Mädchen.
An der Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh gab es Forderungen, dass sich die Weltbank stärker engagieren soll. Ist diese Forderung realistisch?
Die Weltbank sieht den Klimawandel als eine entscheidende globale Herausforderung, wir müssen alle daran arbeiten. Deshalb haben wir unser Engagement ständig ausgebaut. Vor der Krise hatte die Weltbank einen Anteil von 44 Prozent von allen multilateralen Finanzierungen weltweit. Jetzt sind es 55 Prozent.
Die afrikanischen Länder sind nicht verantwortlich für die Emissionen – aber überproportional betroffen vom Klimawandel.
Es ist wichtig, dass vor allem auch in Afrika die Länder Hilfe bekommen im Klimabereich. Sie sind nicht verantwortlich für die Emissionen, aber überproportional betroffen vom Klimawandel.
Da sich die Herausforderungen so gewandelt haben, gibt es Forderungen nach Reformen bei der Weltbank. Wo stehen diese?
Es ist für die Weltbank sehr wichtig, sich ständig an die neuen Realitäten anzupassen. Die wichtigste Frage ist: Was ist die Ambition in den nächsten Jahrzehnten, diese Probleme anzugehen?
Wir diskutieren die Finanzierung der anstehenden Probleme mit unseren Mitgliedern – es sind riesige Beträge nötig.
Wir haben jetzt ein Papier für unser Board vorbereitet, wo wir mit unseren Mitgliedstaaten die strategischen Fragen diskutieren – vor allem jene der Finanzierung. Denn es sind riesige Beträge notwendig.
Welche Rolle spielt die Schweiz bei der Weltbank mit ihrem kleinen Stimmrecht?
Es kommt darauf an, wie aktiv ein Land im Direktorium ist und wie sich ein Land engagiert im Entwicklungsbereich. Die Schweiz ist ein sehr engagiertes Land. Und wenn man gute Beiträge in den Diskussionen liefert, kann man überproportional Einfluss nehmen in der Weltbank. Das hat die Schweiz in der Vergangenheit erfolgreich gemacht. Was ich oft gemerkt habe: Gerade Länder, die nicht zu den G7 gehören, bringen die Ideen ein, die dann von den G7 übernommen werden.
Das Gespräch führte Karoline Arn.