Nach dem Scheitern der Konzernverantwortungsinitiative steht in der Schweiz der indirekte Gegenvorschlag vor der Tür. Es ist ein Vorschlag mit eingeschränkter Haftung, aber Verbesserungen im Vergleich zu bisher. So müssen Unternehmen künftig zeigen, dass sie sich um den Umweltschutz und die Einhaltung der Menschenrechte kümmern, wobei Kinderarbeit und Rohstoffe wie Diamanten und Gold im Vordergrund stehen.
Das gilt in der Europäischen Union
Mit ähnlichen ethischen und ökologischen Fragen zu den Geschäften von Unternehmen und Grosskonzernen beschäftigt sich zurzeit auch die EU. Hierbei ist zu beachten, dass in der Europäischen Union die Regelungen bereits seit fünf Jahren gelten, wie sie in der Schweiz jetzt mit dem indirekten Gegenvorschlag anstehen.
So müssen europäische Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten einen erweiterten Geschäftsbericht verfassen und darlegen, was sie in Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerschutz, Gleichstellung, Einhaltung von Grundrechten sowie Korruptionsbekämpfung tun.
Die Erfahrungen der EU
Sanktionen gibt es aber nur bei unvollständigen Berichten, wobei die Mitgliedstaaten die Strafen festlegen. Diese Strafen müssen nach den Vorgaben aus Brüssel wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein. «Die letzten fünf Jahren in der EU zeigen, was die Schweiz erwarten kann: vor allem ein Mehr ein Image-Broschüren», stellt SRF-Brüssel-Korrespondent Charles Liebherr fest.
Anhänger der Konzernverantwortungsinitiative nennen den indirekten Gegenvorschlag denn auch eine Alibiübung, weil die Konzerne nur eingeschränkt haften sollen. Eine stärkere Haftung, beispielsweise im Rahmen des Green Deal, steht aber auch in der EU nicht zur Debatte.
Das Ziel der revidierten EU-Richtlinie
Das hängt auch mit dem Grundgedanken der in Revision befindlichen Richtlinie zusammen, wie Liebherr erklärt: Es geht nicht darum, allfälliges Unrecht zu sanktionieren, sondern um grössere Transparenz für Investoren. Ziel der Richtlinie ist also mehr Nachhaltigkeit im Finanzmarkt. Nachhaltige grüne Investitionen sollen gefördert und genauer definiert werden, um das übergeordnete Ziel der Klimaneutralität besser zu erreichen.
Was sich unter diesen Umständen in der EU ändern werde, sei noch schwierig absehbar. Ein Paradigmenwechsel sei aber sicher nicht zu erwarten, auch wenn die Vorgaben präziser und die Nachhaltigkeit messbarer würden, so Liebherr.
Der kleinste gemeinsame Nenner
Es gehe also immer noch nicht darum, die schwarzen Schafe unter den Grosskonzernen zu bestrafen, sondern eher darum, die weissen Schafe noch weisser zu waschen, so der Brüssel-Korrespondent. Und zwar in der Hoffnung, dass die schwarzen Schafe ihre Geschäftspraxis in der Folge bestenfalls anpassen: «Das tönt relativ unverbindlich und ist wohl auch so gemeint, denn es ist der kleinste gemeinsame Nenner, den man in der EU bisher finden konnte.»