Blickt man vom Turm der grossen Kirche in Debrecen nach Süden, ragen in der Ferne die massiven Gebäudeblöcke der chinesischen CATL-Fabrik in die Höhe. Der weltgrösste Batteriehersteller hat sich in Ostungarn ein gigantisches Standbein aufgebaut. Gleich daneben steht seit kurzem die chinesische SemCorp-Fabrik und das chinesische EcoPro-Kathodenwerk, die beide Teile für Elektroauto-Batterien herstellen.
In Szeged räumen Bulldozer unterdessen ein 300 Hektar grosses Gelände, auf dem eine «Gigafactory» für chinesische BYD-Elektroautos gebaut wird. Bis zum Sommer wird es 17 wöchentliche Flüge zwischen Budapest und chinesischen Städten geben. Wenig überraschend, dass China im Jahr 2023 mit 10.7 Milliarden Euro der grösste Einzelinvestor in Ungarn war.
Gleichzeitig bauen chinesische Firmen eine Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke, die Ungarn mit dem Hafen von Piräus verbinden soll, der in chinesischem Besitz ist. Pikantes Detail: Die Verträge über den Bahnstreckenbau sind geheim. Medienschaffende, die darüber berichten, riskieren hohe Strafen.
Chinesische Polizisten auf Ungarns Strassen
Doch es geht nicht nur um die Wirtschaft. Schon bald sollen chinesische Polizisten für den Streifendienst auf Ungarns Strassen eingesetzt werden können. Offizielle Begründung: Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität.
Wenn der chinesische Präsident Xi Jinping dieser Tage nach Europa kommt, besucht er nur drei Länder: Frankreich, Serbien und Ungarn.
Die Regierung verscherbelt Ungarn für einen Spottpreis.
Das Problem: Die Europäische Union hält ihre Mitglieder an, Abhängigkeiten zur Volksrepublik China abzubauen. Ungarn macht demonstrativ das Gegenteil. Viktor Orbán nahm im letzten Herbst als einziger Staatschef der EU am Gipfeltreffen der «Neuen Seidenstrasse» in Peking teil und frohlockte, die Beziehungen zwischen Ungarn und China hätten «einen historischen Höchststand erreicht».
Immer wieder betont Orban, «der Westen» befinde sich «im Niedergang». Deshalb ist es für ihn nur logisch, die Nähe zur aufsteigenden Supermacht China zu suchen. Schon mehrmals hat Ungarn chinakritische Erklärungen der EU verhindert oder verzögert. Besonders, wenn es um die Menschenrechtslage in Hongkong ging.
Fidesz-treue ungarische Subunternehmer
Doch es regt sich Widerstand in Ungarn. Kaum eine Woche vergeht ohne Proteste gegen die neuen gigantischen Fabriken, die gebaut werden und Umweltprobleme verursachen. Eva Dobrev, EU-Parlamentarierin der früheren Regierungspartei Demokratische Koalition, sagt, die Regierung verscherble Ungarn für einen Spottpreis an die Chinesen.
Der Politanalyst Zoltan Ranschburg von der liberalen Denkfabrik Republicon glaubt nicht, dass die chinesischen Investitionen viel Wohlstand für Ungarn schaffen: «Die grossen Gewinne machen die chinesischen Multis und allenfalls die ungarischen Subunternehmer. Und die sind, ganz zufällig, fast immer eng verbunden mit der Regierungspartei Fidesz oder direkt mit der Regierung.»
Diese Kritik dürfte Viktor Orbán kaum stören. Er regiert mit einer komfortablen Zweidrittelmehrheit im Parlament. Und mit China hat er jetzt eine Partnerin, die er jederzeit gegen Brüssel ausspielen kann.